Ysobel – Das Herz aus Diamant
deswegen, hältst du ihn für beschmutzt? Dabei hat er es sogar freiwillig getan und vielleicht auch noch mit ein paar Münzen dafür bezahlt! Weshalb sollte die Ehre eines Mannes anders beschaffen sein als die einer Frau?«
Ysobel griff zögernd nach dem rettenden Strohhalm. »Du meinst, ich hätte keine Schuld daran, dass ich entehrt worden bin?«
»Entehrt!« Oliviane schnaubte vor Empörung über das Wort. »Du hast Schmutz berührt und bist dabei dreckig geworden. Aber nicht mehr als bei deinem Sturz in den stinkenden Schlamm des Burggrabens. Ein Schaden, den ein Bad, ein größerer Schluck Wein und das Vergessen des Alltags im Nu zum Verschwinden bringen sollten. Oder entdeckst du irgendwo Spuren an dir? Hat es dich gehindert, in den Armen des Seigneurs de Comper glücklich zu sein?«
Unwillkürlich sah Ysobel an sich herab. Sie trug eines der Gewänder, die Dame Anne und ihre Mägde aus dem Besitz Dame Thildas für sie geändert hatten. Da waren ellenweise Gold- und Silberbänder, Perlenschnüre und Juwelen entfernt, Säume ausgelassen und Oberteile neu geschnitten worden. Das Ergebnis war eine üppige Garderobe, höchst elegant, aber von jener makellosen Schlichtheit, die Ysobels persönlichem Geschmack entsprach.
Das veilchenblaue Wollgewand, das sie an diesem Tage trug, war ein gutes Beispiel dafür. Der reiche Faltenwurf des Schlepprockes, die tiefgeschlitzten Ärmel und der gefältelte Musselin des Brusteinsatzes, betonten die Schönheit seiner Trägerin. Niemand, der sie ansah, konnte auf die Idee kommen, sie sei etwas anderes als eine Dame aus edelstem Blut.
»Du meinst, ich sollte es wagen?«
Sie zweifelte noch immer, aber Oliviane entdeckte in Ysobels Augen ein Funkeln, das ihr Hoffnung machte. Sie legte ihre Hand auf die Finger der anderen und drückte sie auffordernd. »Du wirst eine Reisetruhe mit den verwirrendsten Gewändern packen, die sich in deinen Truhen befinden, und mich nach Rennes begleiten. Es sei denn, du hättest Jos de Comper für immer aus deinem Herzen gerissen. Hast du es getan?«
Ysobel erwiderte den Druck und schüttelte seufzend den Kopf. »Ich müsste mir das ganze Herz herausreißen, um dieses Vergessen zu erreichen.«
24. Kapitel
Nein, sagt es nicht!«
Jean de Montfort sah von der Urkunde auf, die er eben siegelte, und streckte die Linke abwehrend seinem Besucher entgegen, der sich eben aus einer respektvollen Reverenz aufrichtete. Wie gewöhnlich war Hervé de Saint Croix in makelloses Schwarz gekleidet, und in seinen gleichfalls schwarzen Augen glühte jener Funke von Spott, der so typisch für ihn war und hinter dem er seine wahren Gefühle so trefflich verbergen konnte. Nun jedoch huschte eine Spur von Verblüffung über die Züge des Mannes, dessen Verstellungskunst sogar Paskal Cocherel an der Nase herumgeführt hatte.
»Ihr verzichtet auf meinen Gruß?«, forschte er neugierig. »Habe ich Euch verärgert? Wenn ja, nehmt meine Entschuldigung an!«
»Wofür? Dafür, dass Ihr mir auf die Nerven geht?«, spottete der Herzog.
»Ich?«
»Je nun, Ihr und Eure tapferen Freunde. Jener ritterliche Kreis aus närrisch verliebten Helden, die plötzlich nur noch ein Ziel zu haben scheinen: alle Welt unter die Haube zu bringen!«
Langsam klärte sich das Chaos. Auf den Lippen des Grafen zeigte sich ein Lächeln. »Also komme ich zu spät, Euer Gnaden?«
»Wie man es nimmt!«
Der Herzog erhob sich und deutete auf die beiden Polsterstühle vor dem Kamin seines Arbeitskabinettes. Er machte sich persönlich die Mühe, die beiden Glaspokale mit leuchtendrotem Burgunder zu füllen, und reichte einen davon seinem Gast, der ihn dankend annahm.
»Ihr seid lediglich Nummer vier«, meinte Jean de Montfort mit einem Seufzer. »Ein treuer Freund, der einen trotteligen Fürsten dezent darauf hinweisen will, dass er einen anderen, treuen Diener schändlicherweise noch nicht anständig für seine Dienste belohnt hat ...«
Hervé de Saint Croix hob das Glas und trank einen Schluck des samtig-schweren Weines, den sein Herr bevorzugte. Wie es aussah, schwankte jener zwischen Belustigung und Ärger. Besser, er schwieg jetzt, statt etwas Falsches zu sagen.
»Will es eigentlich keinem von Euch in den Schädel, dass Joseph de Comper meine Dankbarkeit schlicht ablehnt?«, beschwerte sich der Herzog. »Dieser Kerl weigert sich, die kleinste Gnade von mir anzunehmen. Er faselt mir die Ohren voll, dass ich ihn aus dem Dienst entlassen soll. Ja, er kommt mir sogar mit dem Unsinn, dass er
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