Zaertliche Brandung - Roman
Wimper zuckten, lag der Schluss nahe, dass Sam es ihnen schon gesagt hatte.
»Särge?«, quiekte Paula mit entsetzt aufgerissenen Augen.
»Ja, und wir machen viel auf Bestellung. Wir verwenden nur einheimisches Holz und sind stolz auf unsere schönen geschnitzten Verzierungen.« Sie strahlte ihre
verblüfften Zuhörer an, die ihre Gabeln aus der Hand gelegt hatten.
»In unseren Särgen liegen die sterblichen Überreste einiger der exzentrischsten Menschen der Welt. Wir versenden unsere Produkte überallhin. Sie würden sich wundern, was für ausgefallene Wünsche die Leute oft äußern.«
Keiner rührte sich. Keiner sprach. Schließlich fing Sam an, in seinem Essen herumzustochern.
Okay. Das war ein fieser Schachzug gewesen, und sie schämte sich ein bisschen. Aber verdammt noch mal, sie alle hatten es verdient. Alle hatten sie von oben herab behandelt.
»Und was machen Sie, Darcy?«, fragte Willa.
»Machen?«
»Ja. Was arbeiten Sie?«
»Arbeiten?«
Willa seufzte.
»Ich erwäge, wieder ein Studium zu beginnen«, sagte die junge Frau schließlich.
»Ja, Weiterbildung ist sehr wichtig«, bestätigte Willa und lächelte Jesse zu, der sich eilig wieder über sein Essen hermachte.
»Ich widme mich wohltätigen Projekten«, warf Paula ein.
»Auch das ist wichtig«, meinte Willa dazu.
Donnerwetter. Diese intelligenten Sinclairs fühlten sich zu solchen Langweilerinnen hingezogen?
»Sollten wir nicht lieber über Tidewater sprechen?«, warf Ben ein.
»Deswegen sind wir schließlich da.«
»Nein, nicht deswegen. Wir sind da, damit ich Sie besser kennenlernen kann.«
»Wir beißen nicht an, Miss Kent«, sagte Sam leise und beugte sich näher zu ihr.
»Egal was Bram Ihnen gesagt haben mag, Sie haben Ihre Angel in flachen Gewässern ausgeworfen.«
»Sehr schön«, erwiderte Willa, »dann werden wir morgen eben Strohhalme ziehen.«
Willas alles andere als subtile Anspielung auf seine Unhöflichkeit bewirkte, dass Sam seine Brauen jäh zusammenzog. Falls sie auf einem Fischzug war, hatte sie keinen Köder an den Haken gehängt. Sie redete nicht wie eine Frau auf Männerfang; sie redete vielmehr so, als könne sie es kaum erwarten, sie alle wieder loszuwerden.
Sam unterdrückte ein Schaudern, als er sich Willa auf einem Schiff voller Taue, Flaschenzüge und Haken vorstellte. Er fragte sich, wie oft sie unfreiwillig im Wasser gelandet war oder wie viele Gäste ertrunken waren. Captain Kent musste die Geduld eines Heiligen und Nerven aus Stahl besitzen.
Um den Tisch wurde es still, während sich alle dem Essen widmeten. Ben und Jesse schienen erfasst zu haben, was Sam meinte, als er gesagt hatte, Willa wäre kein leichtes Opfer. Sie hatte auf alles eine entwaffnende
Antwort und ließ sich nichts gefallen. Und sie schreckte auch vor Tiefschlägen nicht zurück.
Ob Bram dies wusste? Sehr wahrscheinlich.
Zweimal wurden sie beim Speisen gestört, als Bekannte an ihrem Tisch stehen blieben, um sie zu begrüßen. Willa musterte sie still, aber höchst interessiert und unterzog sie auf ihre sehr verwirrende Art einer Einschätzung. Schließlich schob der Ober den Dessertwagen an ihren Tisch.
Willa beäugte das Angebot sehr angeregt.
»Donnerwetter, Schwarzwälder Kirsch. Ich hatte schon befürchtet, es gäbe nur ganz exotische Desserts.«
Darcy und Paula sahen neiderfüllt zu, als der Ober ein großes, cremiges, geradezu dekadentes Stück Torte vor Willa hinstellte.
»Das wollen Sie essen?«, platzte Darcy heraus, ob ihrer Direktheit errötend.
»Aber sicher, Desserts haben mir einmal einen großen Gefallen getan. Ich verdanke ihnen viel.«
»Welchen Gefallen?«, fragte Paula.
»Sie haben mir zu einer Scheidung verholfen.«
Sam, der eben einen Schluck Kaffee genommen hatte, verschluckte sich beinahe. Jesse und Ben stellten ihre Tassen mit lautem Klirren hin.
»Ein Dessert hat Ihnen zur Scheidung verholfen?«, fragte Jesse.
Willa wandte sich ihm mit einem Blick zu, den er nicht zu deuten vermochte.
»Über ein Jahr lang habe ich versucht, meinen Mann zu einer sauberen, freundschaftlichen Scheidung zu überreden, er aber war auf Kampf aus. Aber schließlich habe ich ihn dazu gebracht, dass er in eine Scheidung eingewilligt hat.«
»Wie?«, fragte Paula und beugte sich mit interessierter Miene vor, ohne zu bemerken, dass ein Ende ihres Schals in ihrem Kaffee landete.
»Ich wurde fett.«
»Fett!«
»David war ein sehr oberflächlicher Mensch«, erklärte Willa.
»Ich wurde so dick, dass er sich
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