Zaertliche Eroberung im Herrenhaus
Dann fing Charlie im flachen Wasser kleine Krebse, die sie erst zählten und dann gewissenhaft wieder aussetzten.
Nachdem Charlie auf der Rückfahrt erschöpft und zufrieden eingeschlafen war, konnte Sophia endlich über den Mann nachdenken, der es sich offenbar in den Kopf gesetzt hatte, sie kennenzulernen. Und sicher war er mit seinem Charme, dem attraktiven Gesicht, seiner wohlklingenden Stimme und den tiefblauen Augen bei den Frauen sehr erfolgreich.
Warum hatte Jarrett Gaskill sich die Mühe gemacht, die Einladung seiner Schwester persönlich auf High Ridge Hall vorbeizubringen? Hatte er sich das Haus ansehen wollen? Aus irgendeinem Grund missfiel Sophia dieser Gedanke. Wie sie wusste, übte das imposante Herrenhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert eine starke Faszination auf Einheimische wie Durchreisende aus. Häufig hatten Fremde bei ihrer Großtante geklingelt und sich nach der Geschichte des Bauwerks erkundigt – und waren bestimmt nicht sehr herzlich begrüßt worden.
Dieser Gedanke entlockte Sophia ein Lächeln und erinnerte sie daran, was für eine Verantwortung ein solches Anwesen darstellte. Sie hatte die Einnahmen aus dem Verkauf des Hauses, in dem sie mit ihrem Mann gewohnt hatte, sowie einen erheblichen Teil ihres Erbes darauf verwendet, dessen Schulden abzuzahlen. Jetzt musste sie sich dringend um ihre Karriere als Fotografin kümmern, damit sie ihren und Charlies Lebensunterhalt verdienen konnte. Ihre Laufbahn hatte nach dem Collegeabschluss so vielversprechend ausgesehen, doch Sophia hatte sie nach Charlies Geburt an den Nagel gehängt. Ihr Mann hatte verlangt, dass sie nicht arbeiten ging, sondern sich um den gemeinsamen kleinen Sohn kümmerte.
Um die laufenden Kosten eines Hauses der Größe von High Ridge Hall bestreiten zu können, benötigte sie ein gutes Einkommen. Das wenige vom Erbe verbliebene Geld würde bald aufgebraucht sein. Zum Glück konnte Sophia alte Kontakte in der Branche aktivieren, die sie damals nach dem College geknüpft hatte. Und sie stand bereits mit zwei Interessierten in Verhandlungen, denen die zugesandten Fotos gefallen hatten.
Wieder tauchte Jarrett vor ihrem geistigen Auge auf. Sie hoffte, dass er nicht gekommen war, um ihr Haus zu inspizieren, sondern ihretwegen. Doch dann rief Sophia sich schnell in Erinnerung, dass sie nach dem Albtraum ihrer Ehe Beziehungen ein für alle Mal abgeschworen hatte, und zwar aus gutem Grund. Energisch verdrängte sie die altbekannte Einsamkeit und das Gefühl, versagt zu haben, und sie verbot sich jeden weiteren Gedanken an Jarrett Gaskill.
Sophia trug ihren schlafenden Sohn ins Haus, legte ihn auf das abgenutzte Sofa und begann, das Abendessen zu machen.
Seiner Schwester zuliebe tat Jarrett, was diese für sein großes Talent hielt: Unbefangen plauderte er mit den Gästen, die Beth und ihr Mann zu ihrer kleinen Gesellschaft eingeladen hatten. Eigentlich musste Jarrett bei geschäftlichen Veranstaltungen schon genug höflichen Small Talk betreiben, und jetzt auch noch in seiner Freizeit … Er hatte äußerst selten am Wochenende frei und verbrachte diese kostbare Zeit am liebsten mit langen Spaziergängen, mit Opernmusik auf seiner hypermodernen Anlage oder mit Filmen, die er im Kino verpasst hatte, weil er immer so viel arbeitete.
Dass er an diesem warmen Samstagnachmittag bei seiner Schwester war und gute Miene zum bösen Spiel machte, hatte mit Sophia Markham zu tun. Die ganze Woche schon musste er an sie denken. Ihre vor Tränen glänzenden Augen hatten sein Mitgefühl geweckt, und gleichzeitig überlegte er, ob er die junge Frau nicht doch überreden könnte, ihm High Ridge Hall zu verkaufen. Dass sie das Wohnzimmer selbst strich, deutete darauf hin, dass sie wenig Geld besaß. Und er wäre bereit, ihr einen mehr als fairen Preis zu bezahlen.
Doch auch nach zwei Stunden war Sophia noch nicht aufgetaucht, obwohl Beth ihm versichert hatte, sie habe zugesagt. Jarrett hatte langsam genug vom belanglosen Geplauder und überlegte, ob er zu ihr fahren und sich vergewissern sollte, dass alles in Ordnung war. Da klingelte es, und zufällig stand er in der Nähe der Tür. Als er öffnete, spürte er, wie sein Herzschlag vor Freude aus dem Takt geriet.
„Hallo. Wir sind ein bisschen spät dran, Verzeihung“, sagte Sophia Markham ein wenig atemlos.
Jarrett war wieder einmal so betört von ihr, dass es ihm einen Moment lang die Sprache verschlug. In ihrer ausgeblichenen Jeans, dem farbenfrohen ärmellosen Top und der langen
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