Zahltag
gefunden haben.
»Jetzt können Sie, wenn Sie wollen, den Minister benachrichtigen«,
füge ich hinzu.
»Wenn Sie ihn fassen, haben Sie die Beförderung in der Tasche«,
lautet sein Kommentar.
[409] 54
Die Lage bleibt bis zum nächsten Morgen unverändert. Koula
und Dermitsakis kommen übermüdet und mit leeren Händen ins Präsidium.
Vlassopoulos hat sie inzwischen abgelöst, obwohl die Hoffnung gering ist, dass
die Observierung etwas bringen wird. Da mittlerweile ein Haftbefehl vorliegt,
haben wir an alle Polizeidienststellen eine Personenbeschreibung geschickt.
Alle halbe Stunde ruft Gikas an und fragt, ob sich etwas getan hat.
Inzwischen ist eine Art Telefonkette entstanden: Der Minister ruft den
Polizeipräsidenten an, der wiederum Gikas und Gikas mich, das kleinste Rädchen
im Getriebe.
Kurz nach zwölf läutet das Telefon. »Herr Kommissar, es geht um die
gesuchte Person.«
»Jerassimos Nassiotis?«
»Genau. Er wollte gerade eine Maschine der Alitalia nach Rom
besteigen. Wir halten ihn fest und warten auf Ihre Anweisungen.«
In der Aufregung wäre ich um ein Haar höchstpersönlich in Richtung
Flughafen losgestürmt, doch schließlich weiß ich wieder, was zu tun ist.
»Schicken Sie ihn mir auf dem schnellsten Weg hierher.«
Zunächst rufe ich Vlassopoulos an und gebe ihm Bescheid, dass
Nassiotis festgenommen wurde, und im Anschluss informiere ich Gikas.
[410] »Das war’s, wir haben’s geschafft. Glückwunsch!«, sagt er
erleichtert.
»Richtig, nur vor dem Volkszorn sollten wir uns jetzt hüten«,
erwidere ich.
Nach dem Ende des Gesprächs macht sich auf dem Korridor eine gewisse
Unruhe bemerkbar. Kurz darauf springt die Tür auf, und die Journalistenhorde
stürmt in mein Büro.
»Haben Sie den nationalen Steuereintreiber festgenommen?«, fragt die
kurze Dicke mit den rosa Strümpfen.
An der Weitergabe dieser Information muss jemand ganz gut verdient
haben, denke ich mir. Ob es jetzt einer von uns, ein Flughafenbediensteter oder
der Angestellte einer Fluggesellschaft ist, wird schwer festzustellen sein.
»Es wurde ein Verdächtiger in Haft genommen, als er das Land
verlassen wollte, doch vernommen haben wir ihn noch nicht.«
»Können Sie Angaben zu seiner Person machen?«, fragt die lange
Dürre.
»Momentan kann ich gar keine Informationen herausgeben. Nach der Vernehmung
wird es eine Pressekonferenz geben.«
»Nicht einmal seinen Namen wollen Sie herausrücken?«, fragt mich der
junge Mann in T-Shirt und Jeans.
»Vor der Vernehmung kann ich Ihnen wirklich nichts sagen.«
Enttäuscht zieht der Pulk ab. Bestimmt warten sie jetzt so lange am
Eingang des Präsidiums, bis Nassiotis eintrifft und sie ihm reihenweise ihre
Mikrofone unter die Nase halten können.
»Sie haben’s wieder mal hingekriegt, Kommissar«, sagt [411] Sotiropoulos zu mir. »Sie sind zwar ein langsamer, altmodischer und
unbequemer Typ, aber Sie kriegen es immer wieder hin.«
»Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, Sotiropoulos. Ich
bin in der Tat langsam, altmodisch und unbequem.«
»Ist ja auch nicht weiter schlimm. Ich könnte Ihnen da andere
aufzählen, die nichts als unfähige Trottel sind. Sagen Sie mir, wer es ist?«
»Ein Deutschgrieche, auf den wir durch puren Zufall gestoßen sind.
Genaueres kann ich Ihnen aber nicht sagen, weil wir uns ja auch irren können.
Und es besteht kein Grund, den Namen eines möglicherweise Unschuldigen in den
Schmutz zu ziehen.«
»Sicher, aber Details bekomme ich dann später schon, ja?«
»Sie werden mehr erfahren, als offiziell verlautbart wird. Aber Sie
müssen sich noch etwas gedulden.«
»In Ordnung. Obwohl, ein Deutscher wäre mir lieber gewesen.«
»Wieso?«, frage ich überrascht.
»Weil die Deutschen jetzt sagen können: Er hat zwar die deutsche
Staatsbürgerschaft, aber eigentlich ist er ein Grieche. Was kann man von so
einem schon erwarten?«
Er lacht über seine Pointe und verlässt mein Büro.
Ich rufe Stavropoulos an.
»Im Fläschchen haben wir gefunden, was wir erwartet haben:
Schierling«, meint er. »Wollen Sie noch etwas wissen?«
»Nein, sonst liegen mir alle Informationen vor.«
Ungeduldig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her, bis zehn Minuten
später endlich Dermitsakis auftaucht.
»Er ist da. Wohin mit ihm?«
[412] »In den Verhörraum. Und sag Koula, sie soll ihren Computer fürs
Protokoll mitbringen.«
Jerassimos Nassiotis ist – genau wie von Korassidis’ Sekretärin
beschrieben – um die vierzig und hat dunkles
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