Zauber des Orients
nicht ihre Art war, legte sie zartes Make-up und Rouge auf, um ihren Zustand zu verbergen.
Sie hatte sich die ganze Nacht schlaflos im Bett herumgewälzt, bevor sie sich in den frühen Morgenstunden unter die kalte Dusche gestellt hatte. Zwar hatte sie die Tür zu Salmans Suite verschlossen, aber er hatte jeden Gedanken ihrer ruhelosen Nacht beherrscht.
Jamilah trug noch einen Hauch von Lippenstift auf, dann nickte sie ihrem Spiegelbild zufrieden zu. Der enge dunkelgraue Rock mit passender Jacke und die weiße Bluse sahen schlicht, aber elegant aus. Ihr Haar hatte sie zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Sie atmete noch einmal tief ein, bevor sie den Salon betrat.
Bei Salmans Anblick erstarrte sie und schnappte hörbar nach Luft. Er war in ein traditionelles merkazadisches Gewand gekleidet. Die Creme- und Goldtöne betonten seine olivfarbene Haut, und er trug sogar den passenden Turban. Er wirkte gleichzeitig beeindruckend und einschüchternd.
„Ich kann diese Rolle einnehmen, wenn ich will, Jamilah“, deutete er ihren Gesichtsausdruck richtig.
Jamilah kämpfte um ihre Fassung. Sie hasste sich selbst dafür, dass Salman noch immer einen solchen Effekt auf sie hatte. Es war Jahre her, dass sie ihn zuletzt in traditioneller Kleidung gesehen hatte. Der Anblick katapultierte sie direkt zurück in die Vergangenheit, als Salman und Nadim wie zwei vorzeitig gealterte Männer vor dem Grab ihrer Eltern gestanden hatten.
Tiefe Traurigkeit ergriff Jamilah bei der Erinnerung, doch sie zwang die ungebetenen Gefühle nieder. Angriffslustig hob sie das Kinn. „Unglaublich, wie königlich eine Robe jemanden wirken lassen kann.“
„Obwohl der Jemand kein bisschen königlich ist?“ Salman legte theatralisch eine Hand auf seine Brust. „Du verletzt mich, Jamilah. In deinen Augen werde ich wohl für immer der unnütze Playboy bleiben, nicht wahr?“
„Das ist dein Problem, Salman. Ich bin nicht hier, um dir die Absolution zu erteilen.“
„Ich suche weder nach Vergebung noch nach Erlösung“, erwiderte er mit einem schiefen Lächeln, aber seine Augen blickten seltsam leer. „Ich bin auf der Suche nach etwas, das weitaus … weltlicher und sehr viel näher ist.“
Hastig trat Jamilah einen Schritt zurück. „Ich frühstücke unten. Wir sehen uns dann beim ersten Meeting“, stieß sie knapp hervor und drehte sich hastig herum.
Hinter sich hörte sie Salmans schallendes Lachen. „Lauf davon, wenn du willst, Jamilah“, rief er ihr hinterher. „Es wird deine Kapitulation so viel süßer machen.“
6. KAPITEL
Den gesamten Morgen über blieb Jamilah während der Meetings im Hintergrund. Schließlich war sie nur hier, um die Angelegenheiten bezüglich der Pferdezucht zu besprechen.
Salman dagegen wirkt sehr informiert und charismatisch, gestand sie sich mit widerwilliger Bewunderung ein. Sie konnte nicht einmal sagen, dass Nadim mehr hätte beitragen können. Salman machte sogar einige Vorschläge, die der von Natur aus vorsichtigere Nadim bestimmt niemals bejaht hätte.
Zur Mittagszeit nutzten die Teilnehmer der Konferenz eine Pause, um gemeinsam zu essen. Unauffällig löste Jamilah sich von der Gruppe und ging zum Hotelausgang. Sie hatte vor, in eines der kleinen Straßencafés zu gehen und ihre Gedanken zu ordnen.
Als ihre Hand plötzlich von einer viel größeren gefasst wurde und ein altbekanntes Kribbeln in ihr aufstieg, unterdrückte sie einen Aufschrei. Salman! Er zog sie einfach hinter sich her in die entgegengesetzte Richtung. Ohne eine öffentliche Szene zu machen, konnte Jamilah nichts dagegen tun.
„Ich bin auf dem Weg, Mittag zu essen. Allein“, zischte sie ihm zu.
Salman warf einen raschen Blick über die Schulter. Seine Augen glitzerten. „Wir gehen ja zum Mittagessen.“
„Aber du musst mit den anderen Delegierten essen!“
Salman antwortete nicht, sondern zog sie mit sich. „Mittlerweile solltest du wissen, dass ich selbst entscheide, was ich muss.“
Jamilah wusste, er würde sie nicht loslassen, also folgte sie ihm wohl oder übel. Als sie an einer Gruppe Bekannter vorbeikamen, verwandelte sich ihr Widerstreben in Scham, vor allem, als sie Ahmed El-Salamouny erkannte. Nachdem sie ihn vor einem Jahr auf der Feier des Sultans von Al-Omar ohne ein Wort zurückgelassen hatte, hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Im Vorbeigehen lächelte sie ihm schwach zu.
Ein Angestellter verbeugte sich respektvoll vor Salman und öffnete ihnen die Tür nach draußen. Plötzlich standen sie im
Weitere Kostenlose Bücher