Zauberkusse
als eine kleine Affäre.
»Kannst du mir sagen, wo deine Frau in den letzten vier Wochen war?«, bringe ich mühsam hervor. »Ich meine, hat sie dich nicht vermisst? Du warst doch fast ununterbrochen hier bei mir.«
»Sie war auf Geschäftsreise in den USA.« Ein weiterer Dolchstoß in mein geplagtes Herz. Natürlich ist sie erfolgreiche Geschäftsfrau, die das ganze Jahr über durch die Welt jettet und eine Menge Kohle verdient. Dass sie in ihrer Abwesenheit fröhlich von ihrem Mann betrogen wird, und zwar mit mir, kann mich nicht trösten. Sofort fühle ich mich hoffnungslos unterlegen.
»Und wann kommt sie wieder?«
»Äh.«
»Lass mich raten. Heute?« Ich muss gar nicht hinsehen. Ich weiß, dass er nickt. »Tja, dann …« Meine Augen beginnen, teuflisch zu brennen. Eine eiserne Faust legt sich um mein Herz und drückt langsam zu. »Dann war es das wohl«, quetsche ich endlich hervor. Diesmal ist es Gregor, der sich mit einem Ruck aufsetzt.
»Was?«, fragt er und sieht mich verständnislos an. Dann reißt er mich in seine Arme und legt den Kopf an meine Brust.
»Deshalb wollte ich es dir nicht sagen. Weil ich Angst hatte, dass du mit mir Schluss machst. Bitte, bleib bei mir«, flüstert er und ich schiele verwundert zu ihm herunter. Eine seiner Locken kitzelt mich an der Nase und ich versuche, sie möglichst unauffällig in eine andere Position zu pusten. »Bleib bei mir«, unterbricht Gregor mich in meinen Bemühungen. Ich gebe auf, befreie meinen linken Arm aus seiner Umklammerung, streiche die Haare zur Seite und reibe ausgiebig an meiner Nase herum, bis der Juckreiz verschwindet. Der Mann um meinen Hals hebt den Kopf und sieht mich an. Zum Steinerweichen. »Bleib bei mir«, sagt er zum dritten Mal und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Er legt den Kopf ein wenig zur Seite, sein Mund mit den weichen, geschwungenen Lippen kommt auf mich zu, berührt schließlich meinen. Seine Augen schließen sich, während er beginnt, mich leidenschaftlich zu küssen. Ich liebe diesen Anblick. Der dichte Wimpernkranz seiner geschlossenen Augen. Er sieht dann so friedlich aus, und so hingebungsvoll. Seine linke Hand fährt unter die Decke, die noch immer schützend meinen Körper umhüllt und schiebt sie zur Seite. Er schmiegt sich an mich, seine Beine umschlingen meine, ich dränge mich dichter an ihn. »Er ist verheiratet, hast du eben nicht zugehört«, schreit eine Stimme in mir empört auf, aber ich höre sie nur noch aus weiter Ferne. »Ist mir egal«, bringe ich sie zum Schweigen, »im Moment gibt es nur ihn und mich.«
Danach fühle ich mich furchtbar. Sicher, ich habe den ganzen letzten Monat über mit einem verheirateten Mann geschlafen, aber da wusste ich schließlich noch nichts davon. Diesmal schon. Und es fühlt sich schrecklich an. Obwohl es gut war. Wie immer. Vielleicht sogar noch besser, aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Schwer atmend lösen wir uns voneinander und sofort ist der Gedanke wieder da. Er ist verheiratet. Sein betont unauffälliger Blick auf den Radiowecker neben mir tut ein Übriges. Er denkt, ich hätte es nicht mitbekommen, aber schließlich bin ich eine Frau. Und ich habe die Veränderung, die durch seinen Körper gegangen ist, sehr wohl bemerkt. Er wirkt angespannt. Anscheinend ist es später, als er erwartet hat. Und ich kann die Gedanken in seinem Kopf förmlich rattern hören: Wie komme ich so schnell wie möglich aus diesem Bett heraus, ohne unhöflich zu wirken? Er legt seinen Kopf auf meine Brust und flüstert:
»Ich liebe dich.« Ja, sicher. Einige Augenblicke liegen wir still da, dann erbarme ich mich.
»Wenn du gehen musst, dann geh ruhig. Ist schon okay.« Überrascht hebt er den Kopf und sieht mich an. Und jetzt setzt er auch noch seinen Unschuldsblick auf. »Tu doch nicht so. Ich weiß, dass du unter Zeitdruck stehst. Wahrscheinlich kommt ihr Flieger gleich an und du hast versprochen, sie abzuholen. Richtig?« Gregor sieht jetzt aus, als hätte er eine Erscheinung.
»Woher weißt du das«, fragt er verblüfft. Männer! Nur weil sie eins und eins nicht zusammenzählen können, und eine Schwingung im Raum selbst dann nicht wahrnehmen, wenn die Fliegen schon tot von den Wänden fallen, denken sie, wir Frauen wären genauso unsensibel.
»Ich weiß es eben«, sage ich geheimnisvoll und lächele wissend. Soll er ruhig glauben, ich hätte irgendwelche seherischen Fähigkeiten. So was ist immer Respekt einflößend. Und so sieht er mich jetzt auch an:
Weitere Kostenlose Bücher