Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
losgesegelt war, wenn er aufwachte. Er wäre nicht der erste Seemann, der sich betrunken hatte und zurückgelassen wurde. Brashen sah auf den schnarchenden Tarlock hinunter. Die Jahre seit ihrer gemeinsamen Zeit auf der Windkind hatten ihm nicht gutgetan. Brashen hätte ihn niemals erkannt, wenn er sich nicht selbst zu erkennen gegeben hätte. Er nahm die Rumflasche, doch dann korkte er sie in einer großzügigen Geste wieder zu und schob sie dem alten Seemann in die Armbeuge. Wenn er bald aufwachte, würde er sich sehr wahrscheinlich mit einem oder zwei Drinks aufhalten. Und wenn er zu spät aufwachte, konnte der Rum ihn trösten.
Brashen hatte eigentlich nichts gegen den Mann, außer, dass er ihn an eine Zeit erinnerte, die er lieber vergessen wollte.
Wiesel, dachte er, als er die Taverne verließ und in den kalten Nebel des Frühabends hinaustrat. Ich bin nicht mehr Wiesel. Als wollte er sich selbst davon überzeugen, holte er ein Stück Cindin aus der Tasche, brach ein Stück davon ab und steckte es sich in den Mund. Als er es gegen die Wange drückte, trieb ihm der scharfe, bittere Geschmack beinahe die Tränen in die Augen.
Vermutlich war das das beste Cindin, das er jemals gehabt hatte.
Es war ein freundliches Abschiedsgeschenk der Freibeuter, mit denen sie am Nachmittag gehandelt hatten.
Nein, er war nicht mehr Wiesel, dachte er ironisch, als er zum Kai und zur Springeve zurückging. Der arme Wiesel hatte nie so gutes Cindin gehabt.
20. Freibeuter und Gefangene
»Es sind Piraten, du verdammter Narr!«, fauchte Kyle Sa’Adar an. »Sammle deine Leute, damit wir sie zurückschlagen können.
Wir haben noch eine Chance zu entkommen. Mit Wintrow am Steuer wird die Viviace …«
»Ja, es sind Piraten!«, stimmte Sa’Adar triumphierend zu.
»Und sie haben die Rabenflagge am Mast. Es sind die Piraten, um die jeder Sklave in Jamaillia betet. Sie kapern Sklavenschiffe und befreien die Sklaven. Und die Mannschaft verfüttern sie an ihre eigenen stinkenden Seeschlangen.«
Das Letzte knurrte er drohend, was wegen seinem fröhlichen Gesichtsausdruck ein wenig seltsam wirkte. »Wahrlich, Sa sorgt für uns«, fügte er hinzu und ließ sie allein. Er schritt zum Mittschiff, wo die versammelten Sklaven auf die Rabenflagge zeigten und voller Freude schrien.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Als die Marietta längsseits kam, wurden die Fangleinen geworfen.
Wintrow spürte das Unbehagen von Viviace, als die angespitzten Haken über ihr Deck gezogen wurden und sich in der Reling verhakten. »Ruhig, meine Schöne«, sagte er leise.
Ihre Unruhe vermischte sich mit seiner. Sie hatten keine Mannschaft mehr, die sich der Kaperung entgegenstemmen konnte, selbst wenn er noch mehr Blutvergießen hätte ertragen können. Er war erschöpft, zu Tode erschöpft, und er ließ ihr Steuerrad nicht los, nicht einmal, als das andere Schiff sich an sie heranzog. Wie Ameisen, die aus einem Nest krabbeln, strömten bunt gekleidete Seeleute über ihre Seite. Jemand im Mittschiff bellte Befehle, sowohl zu den Sklaven als auch zu den Seeleuten. Mit einer Schnelligkeit und Ordnung, die beinahe magisch wirkte, kletterten Männer die Masten hinauf.
Die Segel waren im Nu ordentlich gerefft. Er hörte die Ankerkette. Die Stimme, die die Befehle schrie, strahlte eine Autorität aus, der auch die Sklaven gehorchten, als sie den Piraten aus dem Weg gingen.
Wintrow schwieg und hoffte. Er stand unverdächtig unter den anderen Sklaven. Etwas wie Erleichterung wallte in ihm auf.
Diese Piraten übernahmen zwar sein Schiff, aber wenigstens bewegten sie sich kompetent. Die Viviace befand sich jetzt in den Händen von richtigen Matrosen.
Doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer.
Augenblicke später flogen Leichen klatschend ins Wasser.
Wintrow hatte gedacht, dass sie die weiße Seeschlange weit hinter sich gelassen hätten. Doch als der erste Leichnam das Wasser berührte, brach sie durch die Wasseroberfläche und schnappte gierig nach dem Toten. Einige buntere Schlangen tauchten in der Ferne auf und betrachteten das Schiff misstrauisch und neugierig. Eine breitete plötzlich ihren großen Kamm um den Hals aus und hob mit einem herausfordernden Trompeten den Kopf weit aus dem Wasser.
Viviace stieß bei ihrem Anblick einen lauten Schrei aus. »Nein!
Geht weg!«, rief sie. »Nicht Gantry, nein! Werft ihn nicht dem widerlichen Ding vor! Wintrow! Sie sollen aufhören! Sag ihnen, sie sollen aufhören!«
Die einzige Antwort war
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