Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
gestorben. Und was wird jetzt aus uns?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er aufrichtig. »Aber ich verspreche dir, dass ich dich freiwillig nie wieder verlasse. Und ich werde alles tun, um weiteres Blutvergießen zu unterbinden.
Aber du musst mir helfen. Du musst es tun.«
»Wie denn? Niemand hört mir zu. Ich bedeute ihnen nichts.«
»Aber du bedeutest mir alles. Sei stark und mutig.«
Plötzlich entstand mittschiffs Unruhe, ein Murmeln, das zu einem beinahe viehischen Gebrüll anwuchs. Wintrow brauchte nicht erst hinzusehen. »Sie haben meinen Vater geholt. Wir müssen ihn am Leben erhalten.«
»Warum?«
Ihre barsche Stimme jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken.
»Weil ich es ihm versprochen habe. Er hat mir durch die Nacht geholfen, er hat mir beigestanden. Und auch dir. Trotz allem, was zwischen uns vorgefallen ist, hat er mir geholfen, dich von den Felsen fernzuhalten.«
Wintrow holte tief Luft. »Und auch wegen dem, was es bei mir bewirken würde, wenn ich einfach nur daneben stünde und zusähe, wie mein Vater ermordet wird.
Deshalb.«
»Wir können nichts tun«, sagte sie verbittert. »Ich konnte Gantry nicht retten und Mild genauso wenig. Nicht einmal Findus konnte ich retten, weil er doch so schön Fiddel spielte.
Obwohl all diese Sklaven gelitten haben, haben sie doch nur gelernt, Leiden zu ignorieren. Die Münze, die sie für ihre Taten benutzen, ist Schmerz. Nichts anderes erreicht sie, und nichts wird sie befriedigen.«
Ihre Stimme nahm einen hysterischen Unterton an. »Und damit füllen sie mich. Mit ihrem eigenen Schmerz, mit ihrer Lust am Schmerz und…«
»Viviace«, sagte er liebevoll. »Schiff. Hör mir zu. Du hast mich nach unten geschickt, damit ich mich daran erinnere, wer ich war. Ich weiß, dass du es deshalb getan hast. Und du hattest Recht. So. Jetzt erinnere dich an das, was du gewesen bist und wer dich gesegelt hat. Erinnere dich an alles, was du von Mut weißt. Wir werden es brauchen.«
Als würde er auf Wintrows Worte antworten, rief jetzt Sa’Adar befehlend hinauf: »Wintrow! Komm herunter! Dein Vater behauptet, du würdest dich für ihn einsetzen!«
Ein Atemzug, zwei, drei. Suche die Mitte der Dinge, finde Sa in der Mitte von dir selbst. Erinnere dich daran: Sa ist alles, und alles ist Sa.
»Glaub nicht, dass du dich verstecken kannst!«
Sa’Adars Stimme dröhnte. »Komm her. Kapitän Kennit befiehlt es!«
Wintrow strich sich das Haar aus den Augen und richtete sich auf, so weit er konnte. Er trat an den Rand des Vordecks und sah auf sie herunter. »Niemand befiehlt mir etwas an Deck meines eigenen Schiffes!«
Er warf ihnen die Worte zu und wartete, was passieren würde.
»Dein Schiff? Du, der du von der Hand deines eigenen Vaters zum Sklaven gemacht wurdest, beanspruchst dieses Schiff für dich?«
Es war Sa’Adar, der sprach, nicht einer der Piraten.
Wintrow fasste Mut.
Als er antwortete, sah er nicht den Priester an, sondern die Piraten, die ihn ebenfalls anstarrten. »Ich erhebe Anspruch auf dieses Schiff und dieses Schiff auf mich. Mit dem Recht des Blutes. Und wenn ihr glaubt, dass ein rechtmäßiger Anspruch in Frage gestellt werden kann, fragt meinen Vater, wieviel Erfolg er damit gehabt hat.«
Er holte tief Luft, damit seine Stimme tiefer klang. »Das Lebensschiff Viviace gehört mir.«
»Ergreift ihn und bringt ihn her!«, befahl Sa’Adar seinen Kartenvisagen.
»Berührt ihn, und ihr sterbt!«
Viviace klang nicht mehr wie ein verängstigtes Kind, sondern wie eine wütende Matrone. Selbst verankert und an den Enterhaken liegend ließ sie ihr Deck plötzlich schwanken. »Zweifelt nicht daran!«, schrie sie. »Ihr habt mich mit eurem Schmutz überzogen, und ich habe mich nicht beschwert. Ihr habt Blut auf meinen Decks vergossen und getötet, Blut und Morde, die ich für immer mit mir herumtragen muss, und ich habe mich nicht gerührt. Aber tut Wintrow etwas an, und meine Rache kennt kein Ende. Kein Ende als euren Tod!«
Das Schwanken verstärkte sich, es war eine deutliche Bewegung, die die Marietta nicht mitmachte. Die Ankerkette quietschte protestierend. Was Wintrow störte, waren die Seeschlangen, die in der Ferne das Meer peitschten und fragend trompeteten. Die hässlichen Häupter schwankten hin und her, und die Mäuler waren weit aufgerissen, als erwarteten sie Nahrung. Eine kleinere schoss plötzlich vor und griff die Weiße an. Die kreischte und hackte mit ihrem Maul voller Zähne nach ihr. Die Sklaven schrien vor Angst auf,
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