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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ging in die Knie, und Ronica sank neben ihr zu Boden. Sie hörten Jani Khuprus entsetzten Schrei von dem Podest. Der Regenwildmann stand allein an der Stelle, an der sich eben noch die beiden Frauen befunden hatten. »Lauft!«, befahl er ihnen und wirbelte zu der Drachenkönigin herum. Sein schuppiges Gesicht war von Hass verzerrt.
    »Tintaglia!«, brüllte er. »Halt!« Er hatte ein Schwert in der Hand.
    Wundersamerweise hielt die Drachenkönigin tatsächlich inne.
    Ihr Maul war immer noch weit geöffnet. Von einem ihrer unzähligen Zähne fiel ein Gifttropfen auf einen Stein des Hallenbodens. Es zischte, und der Stein löste sich auf.
    Aber es war nicht Reyn, der Tintaglia aufgehalten hatte, sondern Selden. Er war ruhig vorgetreten und blickte Tintaglia an.
    Seine Worte und sein Benehmen heilten Keffrias Schmerz.
    »Bitte, tu ihnen nichts!«, bat der Junge mit schriller Stimme.
    Seine Minnesängerhaltung hatte er aufgegeben. »Bitte, Drachenkönigin, sie sind meine Familie, und sie sind mir so lieb wie deine Familie dir. Wir wollen doch nur meine Schwester zurückhaben. Du bist so mächtig, kannst du sie uns nicht zurückgeben? Sie wieder zurückholen?«
    Reyn packte Selden an den Schultern und schleuderte ihn seiner Mutter in die Arme. Keffria hielt ihn schweigend fest. Sie war wie betäubt. Er war ihr Sohn, wirklich ihr Sohn, ganz gleich, wie viele Schuppen er im Gesicht haben mochte. Sie drückte ihn fest an sich und fühlte, wie der Griff ihrer Mutter an ihrem Arm sich verstärkte. Die Vestrits hielten zusammen, ganz gleich, was da kommen mochte.
    »Niemand kann die Toten zum Leben erwecken, Selden«, erklärte Reyn. »Es ist sinnlos, sie darum zu bitten. Malta ist tot.«
    Als er den Kopf hob und der Drachenkönigin trotzte, zuckte das Licht der Fackeln über sein schuppiges Gesicht und ließ ihn einen Moment genauso drachenartig aussehen wie Tintaglia. »Keffria hat Recht. Ich lasse mich nicht verführen. Ganz gleich, was du für Bingtown getan hast, du hättest zeigen sollen, was du wirklich bist, damit die anderen Familien nicht deinen Listen zum Opfer fallen.«
    Er drehte sich zu den versammelten Menschen um und breitete die Arme aus. »Hört mich an, Leute von Bingtown! Sie hat euch mit ihrem Glanz geblendet. Ihr könnt dieser Kreatur nicht glauben oder vertrauen. Sie wird ihr Wort nicht halten. Wenn es ihr gefällt, wird sie alle Abmachungen für null und nichtig erklären und behaupten, dass jemand, der so groß ist wie sie selbst, nicht an einen Vertrag mit so unbedeutenden Wesen gebunden ist. Helft ihr jetzt, und ihr helft, eine Spezies von Tyrannen zum Leben zu erwecken! Wehrt euch jetzt gegen sie, solange es nur die eine ist, gegen die ihr kämpft!«
    Tintaglia warf den Kopf zurück und brüllte zornig. Ihr Röhren schien die Sterne am Himmel zu erschüttern. Keffria wich zurück, aber sie lief nicht weg. Die Drachenkönigin hob die Vorderfüße an und hämmerte sie auf den Rand des Daches.
    »Du ermüdest mich!«, zischte sie Reyn an. »Ich lüge, sagst du?
    Du vergiftest den Verstand der anderen mit deinen hinterhältigen Worten. Ich lüge? Ich breche mein Wort? Du bist der Lügner! Sieh mir in die Augen, Mensch, und erkenne die Wahrheit!«.
    Sie senkte ihren gewaltigen Schädel, bis er sich unmittelbar vor Reyn befand, aber der Regenwildmann wich nicht zurück.
    Ronica versuchte, Keffria an den Schultern wegzuziehen, aber die wollte nicht nachgeben. Sie hielt Selden fest, als dieser zu der Drachenkönigin strebte. Dann hörte Keffria, wie Reyn den Atem ausstieß und nicht wieder einatmete. Er war vollkommen von den rotierenden Augen der Drachenkönigin gefesselt. Die Kreatur berührte Reyn nicht, aber der Regenwildmann neigte sich zu ihr vor. Seine Muskeln traten deutlich hervor, als müsste er einer gewaltigen Macht widerstehen. Keffria wollte ihn zurückhalten, aber sein Körper fühlte sich unter ihrer Hand so hart wie Stein an. Reyn bewegte die Lippen, aber kein Laut drang über sie.
    Unvermittelt hörten die silbernen Augen der Drachenkönigin auf, sich zu drehen. Reyn brach zu ihren Füßen zusammen wie eine Marionette, die man von ihren Fäden getrennt hat. Und er blieb regungslos auf dem kalten Steinboden liegen.
    Reyn hatte nicht gewusst, dass sie sich so leicht seines Verstandes bemächtigen konnte. Als er in ihre Augen starrte, fühlte und hörte er sie in seinen Gedanken. »Ungläubiger kleiner Mann«, sagte sie schneidend. »Du misst mich an deinem eigenen Verhalten. Ich habe dich

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