Zeds Story
müssen«.
»Dass wir uns für die Opfer einsetzen.«
»Klingt toll, Trace. Du hast in der Polizeischule gut aufgepasst und hast die Sprache jetzt voll drauf.« Er wollte sich über seinen Bruder nicht lustig machen, doch genau danach hörte es sich an.
»Zed, hast du wirklich vergessen, warum wir das tun?«, fragte Uriel leise.
Zed zuckte mit den Achseln. Sie spielten guter Cop, böser Cop mit ihm, aber es tat seine Wirkung. Er fühlte sich entsetzlich klein.
»Du warst früher dermaßen heiß darauf mitzumachen, du hast einmal fast die Tür eingetreten, um dabei sein zu können.«
»Vielleicht hatte Mom recht, als sie mich gebremst hat. Vielleicht hätte sie mich ganz fernhalten sollen.«Vielleicht war er einfach nicht stark genug und hätte niemals damit anfangen sollen, die Fähigkeiten seiner Brüder zu bündeln, um bei ihren gemeinsamen Ermittlungen das ganze Ausmaß eines Verbrechens erkennen zu können. Er sah das Gesamtbild, während die anderen nur Bruchteile zu sehen bekamen, und es war ein hässliches Bild.
»Oder vielleicht solltest du dir mal wieder die sehr guten Gründe ins Gedächtnis holen, warum du damit anfangen wolltest.« Uriel streckte eine Hand nach ihm aus.
»Hey!« Zed wich einen Schritt zurück, denn er kannte die Begabung seines Bruders, Erinnerungen wachzurufen.
»Hast du etwa Angst, dich an diesen kleinen Jungen zu erinnern? Musst du nicht. Wir mochten ihn.«
Uriels leise Andeutung, dass ihm nicht gefiel, was aus diesem kleinen Jungen geworden war, kränkte Zed. Uriel sah für gewöhnlich das Gute in den Menschen, und wenn sein Bruder es in ihm nicht mehr aufspüren konnte, hatte Zed ein echtes Problem. »Ich bin noch immer dieser kleine Junge, Uri.« Zum Beweis schlug er in die Hand seines Bruders ein und hielt sie fest.
Das Nesthäkchen zu sein war echt beschissen. Zed Benedict kauerte neben der Küchentür und lauschte, was der Rest seiner Familie miteinander besprach. Er hörte die tief tönende Stimme seines Vaters, so ruhig und gelassen, und dann das Trällern seiner Mutter, in dem stets Überraschung oder leises Entsetzen mitschwang.Mom neigte mit ihrem impulsiven Temperament zur Theatralik, während Dad der Fels in der Brandung war. Seine Eltern waren Seelenspiegel, im tieferen Sinn die zweite Hälfte des anderen, und ihre Beziehung war das Fundament, auf dem die Familie errichtet worden war. Zed hoffte, dass er eines Tages auch seinen Seelenspiegel finden würde – so wie sein Vater seine Mutter.
Dass seine Eltern eine private Unterredung hatten, machte Zed nichts weiter aus, das war okay. Was ihn daran so wütend machte, war die Tatsache, dass seine Brüder mit dabei sein durften und er nicht.
»Aber ich bin neun«, hatte er protestierte, bevor die Tür vor seiner Nase zufiel.
Seine Mom versperrte den Eingang, ihr orangefarbener Rock mit den stilisierten Lamas am Saum füllte genau die Lücke aus, durch die er hatte schlüpfen wollen. Er mochte diesen Rock, weil die grafisch dargestellten Tiere aussahen, als wären sie aus Lego. »Ja, mein Schatz, du bist erst neun. Deine älteren Brüder sind jetzt erwachsen.«
Er musste zugeben, dass seine drei großen Brüder, Trace, Uriel und Victor, mittlerweile alle alt genug waren, um diesen unerklärlichen Wesen – Erwachsenen – anzugehören, die sich rasierten und sogar (igitt!) Freundinnen hatten. Warum sich seine Brüder den Stress überhaupt antaten, konnte er nicht verstehen. Keine von ihnen war ein Seelenspiegel, und wenn diese Mädchen so drauf waren wie die in seiner Klasse, dann steckten sie kichernd die Köpfe zusammen und trugenpeinliche Glitzerklamotten. Mädchen unterhielten sich nie über wichtige Dinge wie etwa Baseball, Football oder Musik – zumindest nicht richtige Musik, sondern nur über hohlköpfige Boygroups. Ganz unabhängig davon glaubte er, einen Fehler in der Argumentation seiner Mutter entdeckt zu haben. »Yves ist noch nicht erwachsen, er ist erst zehn.«
Seine Mom runzelte die Stirn und ihre dunklen Augen verschleierten sich kurz. Sie benutzte ihre Begabung, um in die Zukunft einzutauchen. Er kannte die Anzeichen, weil er die gleiche Fähigkeit besaß, und deshalb wusste er auch, dass sich die Tür für ihn nicht öffnen würde. Und doch wollte er, dickköpfig wie er war, gegen das Unabänderliche aufbegehren.
»Wie ich sehen kann, Schätzchen, werden wir Yves in diesem Fall brauchen.« Es klang beinah wie eine Entschuldigung. »Du weißt doch, wie gut er sich auf wissenschaftliche
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