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Zehn Mythen der Krise

Zehn Mythen der Krise

Titel: Zehn Mythen der Krise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Flassbeck
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angewiesen sind. Die anderen wollen vielleicht investieren, weil sie eine Gewinnchance sehen, doch der Wunsch der ersten Gruppe, ihre Zukunft zu sichern, behindert den Versuch der Investitionswilligen, das für die Zukunftssicherung Notwendige tatsächlich zu tun.
    Die Aufhebung dieser Paradoxie heißt »Papiergeld«. Erst seit es gelungen ist, stabile, vertrauenswürdige Papiergeldsysteme durchzusetzen, kann man die Tendenz des Systems, seine Zukunftstauglichkeit durch den Versuch zu sparen zu zerstören, erfolgreich und systematisch überspielen. Papiergeld schafft nämlich sozusagen Ersatzersparnisse, die den großen Nachteil der richtigen Ersparnisse (also die Nachfrage nach Produkten zu dämpfen) gerade nicht aufweisen. Von Notenbanken aus dem Nichts geschaffenes Papiergeld ist das institutionalisierte Vertrauen in die Zukunft, das moderne Marktwirtschaften erst möglich, weil erfolgreich gemacht hat. Indem die Zentralbank diese Ersatzersparnisse schafft und zu einem niedrigen Zins den Banken und den Investoren zur Verfügung stellt, überwindet sie quasi die dem System inhärente deflationäre Tendenz durch eine künstlich geschaffene Wachstumsdynamik.
    Das klar erkannt zu haben, ist vor allem das Verdienst Joseph A. Schumpeters (vgl. Schumpeter 1934). Die von den Sparwünschen unabhängige Investition, die der Pionierunternehmer in der Hoffnung auf steigende Nachfrage für seine Produkte tätigt, schafft selbst die Dynamik auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite, die das System am Laufen hält.
    Bricht diese Dynamik jedoch ab, weil die Notenbank beispielsweise die Zinsen erhöht oder ein anderer Schock die Zukunftserwartungen verdüstert, kann der Unternehmer seine Funktion, das System zu stabilisieren, nicht mehr erfüllen, so dass er vorübergehend vom Staat ersetzt werden muss. Ein Staat, der dieser Aufgabe dann nicht gerecht wird, gefährdet die Marktwirtschaft, denn nur der Staat kann ein System stabilisieren, das instabil wird, weil die Privaten Sparen und Investieren nicht mehr in Wachstumsdynamik umsetzen können.
    Ein Staat, der, wie das in der Eurokrise geschieht, seine Sparversuche mit dem »Vertrauensverlust der privaten Investoren in die Staaten« begründet, hat das System ganz fundamental missverstanden. Es gibt kein Vertrauen der Privaten, das gegen sinkende Nachfrage bei den Unternehmen das System stabilisieren könnte. Man weist den privaten Haushalten eine makroökonomische Stabilisierungsrolle zu, die ihrer mikroökonomischen Logik klar widerspricht. Der Name Brüning steht in Deutschland für eine Politik, die diesen zentralen Zusammenhang verkannt hat. Was derzeit in der Eurozone unter der Führung Deutschlands geschieht, hat das Potenzial, als der zweite große Irrtum dieser Art in die Geschichte einzugehen.

MYTHOS VII:
Alle müssen ohne Schulden auskommen
    Ich habe diesen Mythos oben schon teilweise am Beispiel der schwäbischen Hausfrau abgehandelt. Er ist aber noch viel tiefer in unser aller Verständnis von Wirtschaft eingegraben, weil das Mantra des »Über-die-Verhältnisse-Leben« nicht nur für schlechtes privates Wirtschaften steht, sondern für schlechtes Wirtschaften im Verhältnis zur Natur und zur Begrenztheit der Erde überhaupt. An diesem Ende finden sich gerade bei den Grünen viele, die strikt gegen staatliches Schuldenmachen sind, weil sie jede Art von unsolidem Wirtschaften ablehnen.
    Aber auch das ist ein Missverständnis, zumindest dann, wenn man, wie weite Teile der Grünen, den Eindruck erweckt, man könne unter Bedingungen des Nullwachstums dennoch eine funktionierende Marktwirtschaft und Investitionen in den Umweltschutz haben. Nullwachstum bedeutet aber Null-Ersparnisse und Null-Investitionen. Man kann das oben beschriebene Dilemma zwischen Ersparnissen und Investitionen nicht lösen, wenn man gleichzeitig alles tut, um die Dynamik der Investitionen zu brechen. Die bricht man aber, wenn man Wachstumsdynamik generell verhindern will. Marktwirtschaft ist wie ein Fahrrad: Bleibt sie stehen, kippt sie um.
    Man kann allerdings die potenzielle Dynamik der Marktwirtschaft ohne Weiteres nutzen, um ökologische Ziele oder den gesamten Umbau des Produktionsapparates im Sinne ökologischen Wirtschaftens zu erreichen. Setzt man die richtigen Preissignale, zum Beispiel einen kontinuierlichen und stabilen Anstieg des Ölpreises (oder der Preise für fossile Energieträger insgesamt), werden sich die Investoren bei ansonsten guten Investitionsbedingungen in die richtige

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