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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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phantasievolle Kommentare an sich schon für Unterhaltung sorgten, dann ging er mit seiner Familie zur frühen Christmesse, und anschließend aßen sie zu Mittag im Westin Hotel am College Green. Das historische Gebäude stammte aus dem neunzehnten Jahrhundert und war früher eine Bank gewesen, inzwischen aber in ein Fünf-Sterne-Hotel umgewandelt worden. Sie aßen in der Banking Hall. Pud legte den Kopf in den Nacken und konnte die Augen nicht abwenden von der kunstvoll handgeschnitzten Decke, an der vier Kronleuchter mit insgesamt achttausend ägyptischen Kristallen glitzerten und funkelten. Immer wieder stieß er kleine faszinierte Schreie aus und lauschte dann hingerissen dem Echo seiner eigenen Stimme.
    An diesem Tag sah Lou Suffern die Welt in einem ganz neuen Licht. Statt sie aus dem dreizehnten Stock durch getönte Panzerglasscheiben aus einem überdimensionalen Ledersessel zu betrachten, hatte er sich heute dafür entschieden, sich mitten ins bunte Leben zu stürzen. Gabe hatte recht gehabt mit dem, was er über Walt Disney und die Maus gesagt hatte, er hatte recht gehabt mit der Vermutung, {327 } dass Lou Suffern aus Cliffs Schicksal etwas zu lernen hatte. Genau genommen hatte der Lernprozess schon vor sechs Monaten angefangen, als die Plastikmaus ihn im Gesicht getroffen hatte, und tatsächlich waren damals zum ersten Mal seit langem Lous verdrängte Ängste wieder an die Oberfläche gestiegen, und auch sein lange geleugnetes Gewissen hatte sich gemeldet. Gabe hatte mit einer ganzen Reihe von Dingen ins Schwarze getroffen, auch wenn Lou sich anfangs dagegen gewehrt und nichts davon hatte wissen wollen. Inzwischen wusste er, dass er Gabe viel zu verdanken hatte. Als der Abend sich herabzusenken begann und die Kinder nach Hause mussten – sie durften ja nicht mehr draußen sein, wenn der Weihnachtsmann sich auf den Weg machte –, brachte Lou seine Familie zum Auto, küsste sie, verabschiedete sich und ging zurück ins Büro. Er hatte noch etwas zu erledigen.
    In der Lobby wartete er auf den Aufzug, und als die Türen sich öffneten und er einsteigen wollte, kam ihm Mr Patterson entgegen.
    »Lou«, rief er überrascht. »Ich kann nicht glauben, dass Sie heute hier sind! Sie sind wirklich ein Arbeitstier.« Verstohlen schaute er auf die Schachtel in Lous Hand.
    »O nein, ich arbeite nicht. Heute ist doch Feiertag«, lächelte Lou in dem Versuch, möglichst subtil, aber unmissverständlich die Eckpfeiler seiner neuen Position klarzumachen. »Ich muss nur … äh«, fuhr er fort, aber da er Gabe nicht in Schwierigkeiten bringen wollte, indem er seinen Aufenthaltsort verriet, überlegte er kurz und sagte dann: »Ich muss nur noch schnell in mein Büro, ich hab etwas vergessen.«
    »Gut, gut. Nun, Lou«, erwiderte Mr Patterson und rieb sich müde die Augen, »ich muss Ihnen etwas mitteilen. Ich {328 } habe es mir lange hin und her überlegt, aber ich glaube, es ist das Beste, wenn ich es Ihnen gleich sage. Ich bin nämlich auch nicht zum Arbeiten hergekommen«, gestand er, »sondern Alfred hat mich angerufen. Er meinte, es wäre dringend. Nach der Geschichte mit Cliff sitzen wir ja alle auf glühenden Kohlen, deshalb bin ich auch gleich hergefahren.«
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte Lou. Panik stieg in ihm auf. Die Aufzugstüren schlossen sich. Damit war ihm der Fluchtweg versperrt.
    »Alfred wollte sich mit mir unterhalten über … na ja, über Sie.«
    »Aha«, brachte Lou mühsam hervor.
    »Er hat mir das hier gebracht.« Mr Patterson griff in die Tasche und zog den Tablettenbehälter hervor, den Lou damals von Gabe bekommen hatte. Nur eine einzige Pille kullerte noch darin herum. Offensichtlich war Alfred – diese Ratte! – zum Müllcontainer geschlichen und hatte Beweismittel gesucht, um Lous Karriere zu zerstören.
    Entsetzt starrte Lou auf das Pillendöschen und überlegte krampfhaft, ob es besser war, alles abzustreiten oder die Wahrheit zu gestehen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Oberlippe, während er hektisch versuchte, sich eine Geschichte auszudenken. Die Pillen gehörten seinem Vater. Nein. Seiner Mutter. Für ihre Hüfte. Nein. Lou hatte selbst Rückenschmerzen. Auf einmal merkte er, dass Mr Patterson etwas sagte, und schaltete hastig wieder auf Empfang.
    »Alfred hat gesagt, er hätte das hier unter dem Müllcontainer gefunden. Ich weiß nicht, wie, aber er wusste, dass die Dose Ihnen gehört.« Mit gerunzelter Stirn sah Mr Patterson Lou an, offensichtlich wartete er auf irgendeine

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