Zeit der Gespenster
sein Restaurant nach Geschäftsschluss zur Verfügung zu stellen, und er hatte sogar für ihn das Essen zubereitet, das jetzt warm gestellt auf sie wartete.
»Wirklich«, sagte Shelby, als er sie zu ihrem Stuhl geleitete, »ich hätte auch zur normalen Geschäftszeit gekonnt.«
»Aber dann wäre ich nicht der einzige Mann, der Sie anschaut.« In Pumps und einem engen schwarzen Kleid sah Shelby Wakeman ganz und gar nicht aus wie die graue Maus, als die sie sich in der Bibliothek gab, und auch nicht wie die erschöpfte Mutter, die sie in Wahrheit war. Sie hatte sich die Haare hochgesteckt, was ihre Augen noch leuchtender und ihren Mund noch weicher machte. Eli hatte sich schon vorher von ihr angezogen gefühlt, jetzt aber war er rettungslos verloren.
Er servierte den Salat und die Antipasti und schenkte den Wein ein. »Eddie hat den Tropfen ausgewählt«, sagte Eli und stieß mit Shelby an, lauschte dem hellen Klang nach. »Auf alle ersten Rendezvous«, sagte er.
Shelby schüttelte den Kopf. »Darauf kann ich nicht trinken.«
Eli war enttäuscht. »Nein?«
»Nein. Ich hab darüber nachgedacht, und ich möchte kein erstes Rendezvous. Die sind doch immer furchtbar, oder?«
Eli brauchte eine Sekunde. »Und was soll das hier dann sein?«
Shelby lächelte. »Unser zweites Rendezvous.«
»Das würde aber doch bedeuten, dass wir das erste schon hinter uns haben?«
»Stimmt, und dass wir schon einiges übereinander wissen.«
»Was nicht der Fall ist …«
»Immerhin genug, um jetzt hier zusammenzusitzen.«
Ein Lächeln breitete sich auf Elis Gesicht aus. »Was hat er angestellt … Ihnen ein Glas Rotwein übers Kleid geschüttet? Gesagt, Ihre Augen würden ihn an seine Ex erinnern?«
»Wer?«
»Der Typ, der Ihnen die Freude an ersten Rendezvous verdorben hat.«
Shelby faltete ihre Serviette. »Ehrlich gesagt, das hier ist mein erstes Rendezvous. Ich stütze mich da nur auf Hörensagen.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Oh, ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, die …«
»Nein«, fiel Eli ihr ins Wort. »Ich meine, ich kann nicht glauben, dass das hier Ihr erstes Rendezvous ist.«
»Ich meinte, seit ich Ethan habe.«
Eli gab sich unbekümmert. »Was ist aus Ethans Dad geworden?«
»Als ich zuletzt was von ihm gehört habe, wohnte er in Seattle. Wir haben kaum Kontakt.« Shelby schob ihr Essen auf dem Teller herum. »Er hat sich nach Ethans Geburt von mir scheiden lassen. Er kam nicht klar damit, dass sein Kind XP hat.«
»XP«, wiederholte er.
»So heißt Ethans Krankheit … er darf keinem Sonnenlicht ausgesetzt sein. Es ist eine genetisch bedingte Hautkrankheit – sehr selten.«
Eli hatte kurz mit Ethan darüber gesprochen. Er konnte sich nur noch erinnern, dass der Junge gesagt hatte, er würde nicht lange leben. »Wird er … wird er wieder gesund?«
»Nein«, sagte Shelby leise. »Das wird er nicht.«
Eli legte seine Gabel hin. »Die Ärzte können nichts tun?«
»Nein.«
Eli und seine Frau hatten keine Kinder bekommen. Er fragte sich jetzt, was er getan hätte, wenn sie ihn nicht nur verlassen, sondern auch sein Kind mitgenommen hätte.
»Ethan ist ein toller Junge«, sagte Eli.
Sie lächelte. »Er hat mir heute Abend einen Ratschlag mit auf den Weg gegeben. Ross auch.«
»Ach ja?«
»Ross hat gesagt, ich sollte keinem Mann trauen, der sein Geld damit verdient, andere Leute zu einem Geständnis zu bringen.«
»Und Ethan?«
»Seine weisen Worte behalte ich vielleicht besser für mich«, sagte Shelby lachend.
Eli lehnte sich zurück. »Ihr Bruder ist ein interessanter Mann.«
»Das haben Sie aber nett gesagt«, erwiderte Shelby und strich etwas Butter auf ein Stück Brot. »Die meistens halten ihn für einen ziellosen Vagabunden und Versager.«
»Aber Sie doch wohl nicht.«
»Nein. Ich glaube, er hat sich verirrt. Und das ist ein Zustand, der nur so lange andauert, bis man von jemandem gefunden wird.« Eine Strähne löste sich aus ihrem hochgesteckten Haar; sie schob sie sich hinters Ohr. »Das Glück fällt manchen Menschen leichter zu als anderen. Ross möchte glücklich sein, mehr als sonst jemand, den ich kenne. Aber es gelingt ihm einfach nicht.«
»Und Sie?«, fragte er. »Wer ist für Sie da?«
Eli griff nach Shelbys Hand, mit der sie fest den Stiel ihres Weinglases umklammerte. Er sah, wie ihr Mund sich entspannte, doch dann entzog sie ihm ihre Hand wieder. »Was mache ich denn, fabuliere hier so vor mich hin …«
»Warum tun Sie das?«, fragte
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