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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Morphiumschlaf auf den Rücken, blieb mit dem Arm an einem durchsichtigen Schlauch hängen, der vom Oberkörper zu seinem Gesicht führte. Er erdrosselt sich noch selbst , dachte Meredith, und gleich darauf: Wäre das so schlimm? Doch dann griff sie nach dem Schlauch und behob die Gefahr.
    Seine Hand hob sich langsam und umklammerte ihr Handgelenk. Als Meredith nach unten blickte, sah sie, dass er wach war und weinte. Er wollte etwas sagen, aber seine Worte waren wegen der Sauerstoffmaske nicht zu verstehen. Sie zögerte, zog ihm dann die Maske ein Stück herunter.
    »Es tut mir leid«, sagte Spencer Pike. »Es tut mir so leid.«
    Meredith erstarrte. »Schon gut«, murmelte sie und wollte zurückweichen.
    »Nicht gehen. Bitte noch nicht.«
    Sie schluckte, nickte dann. Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich an das Bett ihres Großvaters.
    Seine Atmung wurde unregelmäßiger, und eine Schmerzwelle spülte über sein Gesicht. »Cissy«, sagte Spencer Pike, »wirst du auf mich warten?«
    Cissy. Cecelia. Sie sehen einer Frau ähnlich, die ich mal gekannt habe. Meredith hatte das Naheliegende vergessen – wenn sie wirklich so große Ähnlichkeit mit ihrer verstorbenen Großmutter hatte, dann würde das diesem Mann natürlich erst recht auffallen.
    »Ja, Spencer«, erwiderte sie ruhig. »Solange es dauert.«
    Kurz darauf fiel er in einen unruhigen Schlaf. Meredith hielt ihr Versprechen. Sie saß am Bett ihres Großvaters, während seine Lunge röchelte und pumpte. Sie saß bei ihm, bis die Symphonie der Apparate zu einer einzigen Note in ihrem Kopf wurde. Sie saß bei ihm, bis die Krankenschwestern kamen, um Spencer Pike seine nächste Dosis Morphium zu verabreichen, bis sie nach einer Weile wiederkamen und Meredith davon überzeugt hatten, dass sie jetzt ruhig gehen könne, weil er gestorben war.

    Eli tigerte schon vor der Tür auf und ab, als Tuck Boorhies eintraf, und scheuchte ihn gleich in sein Fotolabor. Tuck sollte schon wieder eines der Tatortfotos von dem lange zurückliegenden Mordfall vergrößern. Diesmal jedoch ging es um einen Ausschnitt, auf dem der Boden zu sehen war. Tuck hatte den Kontrast noch ein bisschen bearbeitet, und siehe da, in dem feuchten Sägemehl waren Fußspuren zu sehen, die offenbar zu anderen Spuren passten: Fußabdrücke einer Frau. Aber noch interessanter war die lange Schleifspur im Sägemehl.
    Jetzt blickte er von dem Hocker auf, auf dem er saß, in der Hand eine Polaroidkamera. »Was machen wir jetzt noch mal?«, fragte er Eli, der dabei war, eine Mülltüte an einem Haken an der Decke zu befestigen. In der Tüte waren rund drei achtelliter Wasser. Auf dem Boden hatte Eli Sägemehl verteilt.
    »Laut Wesley Sneap fasst die menschliche Blase höchstens rund vierhundert Milliliter«, sagte Eli.
    »Was wichtig ist, weil …« Tuck zog eine Augenbraue hoch.
    »Hilf mir mal, ja?« Eli kletterte auf einen Hocker und signalisierte Tuck, die Tüte mit dem Wasser etwas anzuheben, während er einen stabilen Knoten an dem Haken darüber machte. »Er hat gesagt, dass im Augenblick des Todes die Schließmuskelnerven von Anus und Blase nicht mehr stimuliert werden und es zu Inkontinenz kommt.«
    »Gut zu wissen.«
    Eli verteilte das Sägemehl mit dem Fuß unter der Abfalltüte und trat dann zurück. »Okay, Tuck«, sagte er. »Stich meine Blase an.«
    »Was soll ich?«
    »Meine Blase anstechen.« Eli zeigte auf die Tüte.
    »Wie du willst«, murmelte Tuck und piekste mit seinem Stift in die Tüte.
    Beide schauten sie zu, wie der dünne Strahl das Sägemehl benetzte. Er rieselte auf ihre Fußabdrücke, verwischte die Ränder. Als die Tüte leer war, hatte der nasse Fleck auf dem Sägemehl etwa die Größe eines Kanaldeckels. »Davon möchte ich eine Aufnahme, Tuck«, sagte Eli und ging aus dem Labor.
    Als die Polaroidkamera das Foto ausspuckte, kam Eli wieder herein, eine Holzkiste in den Händen. »Und?«
    »Sieht aus wie eine Pfütze. Was hast du sonst erwartet?«
    Eli nahm Tuck das Foto aus der Hand und sah es sich an, legte es dann neben die Vergrößerung, die Tuck zuvor gemacht hatte. »Täusch ich mich, oder sind die beiden Pfützen völlig verschieden?«
    Sie konnten verschiedener nicht sein. Der dunkle Fleck nassen Sägemehls auf dem Polaroidfoto war nur halb so groß wie der auf dem Schwarz-Weiß-Abzug. Doch noch ehe Tuck antworten konnte, öffnete Eli die Holzkiste und hob einen sechzig mal dreißig Zentimeter großen Eisblock heraus. Er setzte ihn auf dem Sägemehl ab, stellte ihn

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