Zeit der Gespenster
Shelby mit einem breiten Lächeln und schenkte Meredith Kaffee nach.
Lucy fand es gruselig, im Dunkeln durch einen fremden Garten zu laufen. Von dem Jungen war nichts zu sehen. Nur seine Sachen lagen überall herum: ein Baseballschläger, ein Kickboard. Der Garten selbst war voller Falter, die wie Feen über den Pflanzen schwebten.
Plötzlich trat sie auf ein Skateboard, das auf die Einfahrt rollte und dort gegen einen Pfahl prallte. Sie hob es auf, und dann drang eine Stimme in ihren Kopf. He , hörte sie. Was machst du denn da?
So sprachen die Geister immer mit ihr, als hätte sie Lautsprecher im Gehirn. Und als sie sich umdrehte, mit rasendem Herzen, rechnete sie bereits mit dem weißen Gesicht, das vor ihr auftauchte. Sie schluckte. »Bist du ein Geist?«, fragte sie.
Was war das denn für eine blöde Frage? »Noch nicht«, sagte Ethan und nahm der kleinen Zicke, die in seinen Garten eingedrungen war, sein Skateboard ab. Er stellte sich drauf und vollführte den coolsten Kickflip, den er zustande brachte, bloß um ihr so richtig zu imponieren. Geist . Als müsste er daran erinnert werden.
Er kam zu ihr zurückgerollt, außer Atem. Sie sah ein bisschen jünger aus als er, trug Zöpfe, und ihre Augen waren so schwarz vor Angst, dass er ihre richtige Farbe nicht erkennen konnte. Er sah ihr an, dass sie darauf brannte, ihn anzufassen, nur um zu sehen, ob ihre Hand durch ihn hindurchgehen würde. »Wer bist du?«
»Lucy.«
»Und was hast du in meinem Garten zu suchen, Lucy?«
Sie schüttelte den Kopf. »Deine Mom hat mich nach draußen geschickt.«
Ethan trat hinten auf sein Skateboard, sodass es ihm wie von allein in die Hand flog. Noch so ein starker Trick. Er hatte nicht oft Gelegenheit, Fremde zu beeindrucken. »Du suchst Geister? Ich weiß nämlich, wie man welche findet. Mein Onkel hat’s mir gezeigt.«
Lucy brachte nichts als einen erstickten Laut hervor. Sie klopfte sich auf die Brust und keuchte. »Schnell … In…«
Ethan erstarrte. »In… was? Was soll ich machen?«
»In…halator …«
Er sauste los wie von der Tarantel gestochen und stürmte durch die Küchentür. »Sie kriegt keine Luft mehr«, rief er.
Eine Frau stürzte so schnell an ihm vorbei, dass er nicht mal ihr Gesicht sehen konnte. Er lief ihr nach und sah, wie sie sich über Lucy beugte und ihr irgendetwas an den Mund hielt. »Ganz ruhig, Lucy«, sagte die Frau, während Ethans Mutter einen Arm um ihn legte.
»Asthma«, murmelte sie.
Ethan sah Lucys blau verfärbte Haut und dachte, dass sie jetzt auch fast wie ein Geist aussah. »Kann sie … daran sterben?«
»Wenn sie nicht rechtzeitig ihre Medizin nimmt. Oder zu einem Arzt kommt.«
Ethan war sprachlos. Das Mädchen da, das wie ein ganz normales Kind aussah, könnte jederzeit das Zeitliche segnen. Wie er.
Nach einer Weile sagte Lucys Mutter zu der Kleinen: »Komm, wir gehen rein.«
Lucy folgte ihr brav. Als sie an Ethan vorbeikam, sagte sie zu ihm: »Die finden mich «, als wäre ihre Unterhaltung gar nicht unterbrochen worden.
Az konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Er starrte Meredith Oliver an, während sie beide nebeneinander auf einer Holzbank im Flur des Kriminallabors in Montpelier saß, zwei Fremde mit einem Wattebausch in der Armbeuge, und auf das Ergebnis eines DNA-Tests warteten. »Entschuldigen Sie«, sagte Az. »Es ist unhöflich von mir.«
Sie öffnete den Mund, als wollte sie ihm recht geben – zuckte dann aber mit den Schultern. »Es muss für Sie ja genauso merkwürdig sein wie für mich.«
In vielerlei Hinsicht. Erstens, ihre Ähnlichkeit mit Lia war frappierend. Zweitens, so ein DNA-Test war schon seltsam genug, aber noch seltsamer war, dass Ross Wakeman und Eli Rochert ihn hingebracht hatten.
Meredith schien zu ahnen, wie ihm zumute war. Sie lächelte ihn beruhigend an – sie hatte ein Grübchen, aber nur in der linken Wange, genau wie er. »Und?«, scherzte sie. »Sind Sie öfter hier?«
»Ein-, zweimal die Woche.« Az erwiderte ihr Lächeln, sah, wie ihre Augen größer wurden, als sie das Grübchen auch bei ihm entdeckte. »Der Saft und die Plätzchen, die sie einem hier spendieren, sind einfach köstlich.« Sie lehnten sich zurück, beide ein bisschen entspannter. »Sie wohnen in Maryland?«, fragte Az.
»Ja. Mit meiner Tochter.«
»Tochter.« Er sprach das Wort mit Ehrfurcht aus; es gab also noch eine Nachfahrin.
»Lucy. Sie ist fast neun.«
»Hat sie Ähnlichkeit mit Ihnen?«
Meredith schüttelte langsam den Kopf. »Sie hat
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