Zeit der Gespenster
gegen Mitternacht? Eins?
– Was denn nun? Mitternacht oder eins?
– Eins.
– Kann das jemand bestätigen?
– Der Barkeeper. Er heißt Lemuel.
– Kennen Sie eine Mrs. Spencer Pike?
– [Pause] Ja.
– Woher?
– Ich hab bei ihr zu Hause ein paar Arbeiten erledigt.
– Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?
– Gestern Nachmittag.
– Wie spät gestern Nachmittag?
– Gegen drei.
– Ist Ihnen bekannt, dass Mrs. Pike heute Morgen tot aufgefunden wurde?
– Sie … sie … oh nein. Oh Gott!
– Wieso haben Sie sie ermordet?
– Ich … Himmel, nein. Ich war das nicht.
– Wir wissen, dass Sie gestern noch einmal bei ihr waren, nach drei Uhr.
– Ich war nicht mehr bei ihr. Ich schwöre.
– John, John. Es hat doch keinen Zweck uns anzulügen.
– Ich – bitte, nein, nicht schlagen! – Ich war es nicht!
– Du bist ein dreckiger, verlogener Zigeuner.
– Das ist die Wahrheit –
– Ach ja? Das ist aber seltsam, weil wir nämlich wissen, dass du sie ermordet hast. Vermisst du seit Kurzem ein paar persönliche Sachen?
– Nein.
– Was du nicht sagst. Kommt dir das hier auf dem Foto bekannt vor?
– Meine … das ist meine Pfeife.
– Sie lag am Tatort. Weil du sie dort verloren hast. Als du mit deinen dreckigen Händen eine Lady –
– Das ist nicht wahr –
– Stoppen Sie das Band, Duley. [Band stoppt.]
– [Das Band läuft weiter.] Gott, bitte … ich sage die Wahrheit. Ich sage die Wahrheit. Sie war … ich hätte ihr nie etwas tun können, niemals.
– Genau wie bei deinem letzten Opfer, John?
Verwundert blieb Ross vor der geschlossenen Tür im ersten Stock des Polizeireviers stehen. Die Sekretärin hatte ihm den Weg zu Eli Rocherts Büro beschrieben, aber vor der Tür roch es so extrem nach Klebstoff, dass Ross beinahe übel wurde. Er klopfte einmal und trat dann ein. Eli war über einen Kasten mit Plexiglasfenstern gebeugt, aus dem er gerade mit einer behandschuhten Hand ein Trinkglas nahm. »Bleiben Sie lieber draußen. Ich stinke.«
Ross trat näher. »Wie wär’s mal mit Duschen?«
Eli stellte das Glas auf den Tisch. »Na ja, nicht ich stinke, sondern der Klebstoff. SuperGlue. Das Zeug ist gesundheitsschädlich, aber es gibt nichts Besseres, um latente Fingerabdrücke sichtbar zu machen.«
»Im Ernst?« Ross sah auf den großen Hund neben dem Detective und dann auf das Glas. »Wer hat das denn ausgeklügelt?«
»Eine Filmgesellschaft in Japan, glaube ich. Die Dämpfe, die entstehen, wenn Klebstoff erhitzt wird, machen die Stellen sichtbar, an denen Feuchtigkeit an der Oberfläche haften geblieben ist. Eine Zeit lang, bevor es nicht mehr zu bezahlen war, hat man sogar Leichen so untersucht, um an ihnen Fingerabdrücke von Tätern zu finden.« Eli deutete mit dem Kinn auf seine selbst gebaute Klebstoffkammer. »Ich muss mich natürlich mit weniger begnügen.«
Er nahm ein kleines Glas mit schwarzem Pulver und etwas, das aussah wie ein Make-up-Pinsel. Als Eli das Glas mit dem Pulver bestäubte, traten die bedampften Fingerabdrücke deutlich hervor. »Eigentlich«, sagte er beiläufig, »sollte ich das Verfahren niemandem erklären, der nichts mit dem Fall zu tun hat.« Er blickte auf und wartete ab.
Ross setzte sich auf einen Hocker.
»Spencer Pikes Wasserglas«, sagte Eli und stellte es wieder hin, um ein Foto von dem Abdruck zu machen. »Nach einem Gespräch mit ihm im Altersheim geklaut. Ich nehme den Abdruck von dem Glas, bevor ich es auf DNA untersuchen lasse.«
»Wieso ist das nötig, wenn Sie wissen, dass er das Glas benutzt hat?«
»So können wir die DNA von dem Glas mit der DNA vergleichen, die von den alten Beweismitteln gewonnen werden kann. Und das könnte den guten Professor auf eine Weise belasten, wie es vor siebzig Jahren noch nicht möglich war.«
»Was ist bloß aus den guten alten Ahnungen geworden?«, murmelte Ross.
»Die haben wir nach wie vor«, sagte Eli. »Aber heutzutage erhärten wir sie mit Beweisen.« Er schob eine Karteikarte in Ross’ Richtung. »Das ist ein Abdruck, den ich von einer Steinpfeife genommen habe, bevor ich sie zur Analyse geschickt habe. Es ist eine Abenaki-Pfeife. Mein Großvater hatte auch eine. Sie wurde unter dem Vordach des Eishauses gefunden, wo Cecelia Pike aufgehängt wurde. Nun, der gesunde Menschenverstand sagt, dass sie Gray Wolf gehört hat. Aber das hier sind Gray Wolfs Fingerabdrücke – das Staatsgefängnis hat sie netterweise zur Verfügung gestellt –, und sie stimmen nicht überein.«
Ross beäugte die zweite Karte mit den zehn
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