Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
nicht ausstehen konnte? Wenn er ein Nichtsnutz ist, sie eine Bundesagentin? Wenn er ihr das Genickt bricht und sie hinterher belasten will? Irgendwelche fantastischen Geschichten von wegen Hypnose erzählt? Das bringt doch nichts.«
»Sehen Sie’s endlich ein?«, fragte Blake. »Wir haben Sie in der Hand.«
Reacher schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Ich glaube, darauf lasse ich mich nicht ein.«
»Dann landen Sie hinter Gittern.«
»Aber vorher möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen«, sagte Reacher.
»Nämlich?«
»Habe ich Lorraine Stanley umgebracht?«
Blake schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil wir Sie, wie Sie wissen, seinerzeit beschattet haben.«
»Und Sie haben meiner Anwältin einen Durchschlag vom Observierungsbericht gegeben, stimmt’s?«
»Ganz recht.«
»Okay«, sagte Reacher.
»Was soll daran okay sein, Sie Schlauberger?«
»Dass ihr angeschmiert seid«, antwortete Reacher.
»Wenn Sie das vielleicht etwas genauer ausführen könnten.«
Reacher schüttelte den Kopf. »Da müsst ihr schon selbst drauf kommen.«
Es wurde still.
»Worum geht es?«, wollte Blake wissen.
Reacher lächelte. »Denken Sie doch mal nach. Selbst wenn ihr mich wegen Lamarr drankriegen solltet, könnt ihr euch nie und nimmer hinstellen und behaupten, dass ich der Frauenmörder bin, weil meine Anwältin eure Berichte vorliegen hat, in denen klipp und klar steht, dass ich nicht als Täter in Frage komme. Was wollt ihr dagegen unternehmen?«
»Was versprechen Sie sich denn davon?«, sagte Blake. »Sie sitzen doch sowieso hinter Gittern.«
»Denken Sie mal ein Stück weiter«, forderte Reacher ihn auf. »Ihr habt groß und breit erklärt, dass ich nicht der Täter
bin. Und nun versichert ihr hoch und heilig, dass es auch Lamarr nicht gewesen ist. Folglich müsst ihr weiter nach ihm fahnden, stimmt’s? Und wenn ihr das nicht tut, müsst ihr euch allerlei Fragen gefallen lassen. Denkt doch mal an die Schlagzeilen: FBI-Spezialeinheit seit zehn Jahren im Einsatz – noch immer keine Erkenntnisse . Außerdem müsst ihr dann weiterhin für Personenschutz sorgen, und zwar rund um die Uhr. Ihr müsst immer mehr Personal darauf ansetzen, euch noch mehr dahinter klemmen, immer mehr Aufwand treiben, Jahr für Jahr, bis ihr den Kerl gefunden habt. Wollt ihr euch das antun?«
Es herrschte betretenes Schweigen.
»Nein, das wollt ihr euch nicht antun«, gab Reacher zur Antwort. »Weil ihr euch das aber nicht antun wollt, müsst ihr zugeben, dass ihr Bescheid wisst. Lamarr ist tot, die Fahndung wird eingestellt, aber da ich nicht der Täter bin, muss es Lamarr gewesen sein. Für euch geht’s also um alles oder nichts. Ihr müsst euch genau überlegen, was ihr wollt. Wenn ihr nicht eingesteht, dass es Lamarr war, müsst ihr bis in alle Ewigkeit mit allen euch zur Verfügung stehenden Mitteln nach dem Täter fahnden, obwohl ihr genau wisst, dass es unsinnig ist. Wenn ihr aber zugebt, dass es Lamarr war, könnt ihr mich nicht dafür belangen, dass ich sie umgebracht habe, weil das unter den gegebenen Umständen nämlich gerechtfertigt war.«
Schweigen.
»Folglich könnt ihr mich kreuzweise«, sagte Reacher.
Nach wie vor Schweigen. Reacher lächelte.
»Und was nun?«, fragte er.
Es dauerte einen Moment, bis Blake und Deerfield ihre Fassung wieder zurückgewonnen hatten.
»Wir sind vom FBI«, sagte Deerfield schließlich. »Wir können Ihnen das Leben ziemlich schwer machen.«
Reacher schüttelte den Kopf.
»Mein Leben ist schon so schwer genug«, erwiderte er.
»Viel schwerer könnt ihr’s mir auch nicht machen. Aber die Drohungen könnt ihr euch trotzdem sparen. Weil ich euer Geheimnis für mich behalten werde.«
»Aha?«
Reacher nickte. »Muss ich ja wohl, oder? Wenn ich das nicht tue, muss Rita Scimeca alles ausbaden. Sie ist die einzige lebende Zeugin. Alle würden über sie herfallen – die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Presse, das Fernsehen. Die schlachten garantiert alles aus, die Vergewaltigung, dass sie sich nackt ausziehen und in eine Badewanne voller Farbe legen musste. Sie müsste darunter leiden. Und das möchte ich ihr nicht zumuten.«
Wieder Schweigen.
»Deshalb könnt ihr euch auf mein Stillschweigen verlassen«, sagte Reacher.
Blake starrte die Tischplatte an. Dann nickte er.
»Na schön«, sagte er. »Ich verlasse mich darauf.«
»Aber wir werden Sie weiterhin im Auge behalten«, wandte Deerfield ein. »Ständig. Merken
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