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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ditfurth
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absehbare nächste Überakkumulationskrise präsentiert. Jahrzehntelang wurde behauptet, im Allgemeinen funktioniere der Kapitalismus »störungsfrei« und prächtig. Das war immer schon Propaganda, verbreitet von Dummköpfen oder Interessengruppen.
    * * *
    Seit Jahrzehnten zerfallen in den USA nicht bloß Schulen und Brücken, sondern ganze Städte. Als ich 1972 kurze Zeit in Detroit lebte, in einem vorwiegend afroamerikanischen Stadtviertel, fuhr ich auf dem Weg zur Arbeit jeden Tag durch Slums, vorbei an verfallenden Holzhütten und verrottenden Industriebauten. Auf manchen Dächern sah ich noch Spuren der Luftangriffe der US-Polizei von 1967, durch die viele Menschen verletzt oder getötet worden waren.
    Wie oft haben wir im Fernsehen während der ersten Präsidentschaftskampagne von Barack Obama Ausschnitte aus Martin Luther Kings »I have a dream«-Rede von 1963 gesehen? Gefühlte eine Million Mal? King träumte von Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit, auch der vom Rassismus. 9 Um Obama als Heilsbringer zu mystifizieren, wurde Kings Rede 2008 missbraucht, als sei sie sein letztes Wort zu den sozialen Verhältnissen in den USA gewesen. Es sollte die Illusion befördern, dass der Kapitalismus eine humane Lebensweise sein kann, wenn ein Afroamerikaner Präsident wird.
    Im Juni 1967 kam es in 75 US-amerikanischen Städten zu Aufständen von Afroamerikanern und ihren politischen Freunden.Die Revolte erfasste Cincinnati, Memphis, Newark, Durham und Detroit. Die blutigsten Kämpfe erlebte Detroit. Die Regierung setzte sogar Fallschirmjäger und Panzer ein. Ganze Stadtviertel gingen in Flammen auf. Dreiundachtzig Menschen, vor allem Afroamerikaner, wurden getötet. 4 000 wurden verletzt, 8 000 verhaftet.
    Martin Luther King wurde am Ende seines Lebens für das weiße Establishment zu einer Bedrohung. Es ging ihm nicht mehr nur um demokratische Bürgerrechte – also darum, dass ein »schwarzes« Mädchen auf eine »weiße« Schule gehen oder ein Afroamerikaner Präsident werden kann –, sondern um die sozialen und demokratischen Menschenrechte für alle. Martin Luther King sagte: »Ich habe jahrelang an der Idee gearbeitet, die bestehenden Institutionen der Gesellschaft zu reformieren – ein wenig Veränderung hier, ein bisschen Fortschritt dort. Doch jetzt bin ich zu einer anderen Überzeugung gelangt: Ich glaube, man muss die ganze Gesellschaft umstrukturieren – wir brauchen eine Revolution unseres Wertesystems!« 10 Er bereitete seinen großen »Feldzug der Armen« vor, die Poor People’s Campaign, den Kampf gegen Krieg, Armut und Rassismus, die drei Säulen der Unterdrückung. King rückte näher an seinen vermeintlichen linksradikalen Gegenspieler Malcolm X heran, der 1965 ermordet worden war. King sagte, als er die Kampagne im Dezember 1967 ankündigte: »Wir müssen den Machtstrukuren massiv gegenübertreten. Dies ist ein Schritt, um die Situation zu dramatisieren, um den sehr legitimen und verständlichen Zorn der Ghettos zuzuspitzen, und wir wissen, dass wir dies nicht mit etwas Schwachem tun können. Es muss etwas Starkes sein, Dramatisches, Aufmerksamkeiterregendes sein.« 11 Schwarze, Indianer, Latinos und Weiße waren aufgerufen, quer durch das Land eine Vielzahl von Aktionen gegen Staat und Kapital durchzuführen: Protestmärsche, Besetzungen, gewaltlose Sitzstreiks in Regierungsbehörden, Boykotts von Konzernen und Einkaufszentren.
    Bereits seit seiner »Traum«-Rede von 1963 hielt das FBI King für den »gefährlichsten und einflußreichsten Neger-Führer«. 12 Die Spitzen des FBI berieten, wie man ihm anhängen könnte, dass er Kommunist sei und wie man den Führer der Bürgerrechtsbewegungsystematisch »neutralisieren« und »zerstören« könne. Man versuchte auch, ihn in den Selbstmord zu treiben. Die staatliche Überwachung und Bespitzelung umfasste – mit Zustimmung von Justizminister Robert Kennedy – Kings privateste Lebensbereiche. 13
    In allen heutigen Medienberichten über Martin Luther King fehlt zielgerichtet stets seine Entwicklung in den letzten Lebensjahren. Von seinem »Traum« einer bald zu erwartenden friedlichen und gerechten US-Gesellschaft hatte King sich verabschiedet, er radikalisierte sich. 1967 sagte er: »Ich musste erkennen, wie mein Traum zum Alptraum wurde, als ich durch die Ghettos unseres Landes ging und sah, dass meine schwarzen Brüder und Schwestern auf einer einsamen Insel der Armut dahinsiechen – in der Mitte eines riesigen Ozeans von materiellem

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