Zeit für Plan B
Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Und wenn ich mit meinem Roman fertig war, würde es ein Kinderspiel für mich sein, aufgrund meines gediegenen Prestiges als
Esquire
-Journalist das Interesse eines Agenten und größerer Verlage zu wecken. Selbst nachdem ich erfahren hatte, dass die meisten ernst zu nehmenden Artikel gar nicht von Angestellten, sondern von freien Mitarbeiternverfasst wurden, blieb ich zuversichtlich, dass meine Talente irgendwann doch Anerkennung finden würden.
Es dauerte ein paar Jahre, bis ich begriff, dass mit mir gar nichts passierte. Ein solches Nichts passiert niemals auf einen Schlag. Es fängt langsam an, so langsam, dass man es gar nicht bemerkt. Und dann, wenn man es irgendwann doch bemerkt, verdrängt man es in die hintersten Gehirnwindungen, in einer Wolke voller nüchterner Erklärungen und Entschlüsse. Man hat viel zu tun, man stürzt sich in bedeutungslose Arbeit, und eine Zeit lang hält man das Bewusstsein des Nichts in Schach. Aber dann passiert irgendetwas, und man ist gezwungen, der Tatsache ins Auge zu blicken, dass einem in genau diesem Augenblick das Nichts passiert, und das schon seit geraumer Zeit.
Bei mir passierte es mit einer Shortstory. Ich sollte die Geschichte über einen Mann Korrektur lesen, der mit seinem jüngeren Bruder durch Florida fuhr, unterwegs zur Beerdigung ihres Vaters, den sie kaum noch kannten. In der Nähe einer Alligatorfarm haben sie eine Autopanne, und während sie dasitzen und zusehen, wie die Einheimischen mit den Alligatoren kämpfen und sie zusammentreiben, sprechen sie über die Zerrüttung der Familie und die Dämonen, die den Vater dazu getrieben hatten, sie zu verlassen. Der belletristische Redakteur bei
Esquire
, Bob Stanwyck, im Büro durchweg als »Wyck« bekannt, hatte eine Schwäche für Erzählungen, die zarte Nuancen eines Reiseberichts besaßen, aber kaum, falls überhaupt, eine Auflösung am Ende, und diese Kurzgeschichte war absolut typisch für ihn. Sie machte auch begreiflich, weshalb er meine eigenen Shortstorys durchweg über den bürointernen Postdienst an mich zurücksandte, mit höflichen abschlägigen Bemerkungen, die er auf gelbe Post-its kritzelte.
Nachdem ich mit der Erzählung fertig war, warf ich einen beiläufigen Blick auf die Biographie des Autors und stellte verblüfft fest, dass er sechsundzwanzig Jahre alt und diese Geschichte bereits diedritte war, die er veröffentlichte. Ich war damals achtundzwanzig, und das Einzige, was ich als Erfolg meiner Bemühungen vorweisen konnte, war … Nichts. Auf einmal kamen mir die grauen, abgewetzten, stoffüberzogenen Wände meiner Kabine lächerlich klein vor, und die Styropordecke mit den winzigen braunen Kratern erschien mir noch niedriger als zuvor. Das war der Tag, an dem ich begriff, dass ich meinen Job hasste. Und es sollte noch ein paar Monate dauern, bis mir noch etwas klar wurde: Etwas zu begreifen und etwas daran zu ändern, das sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Als Alison anrief, saß ich in meiner Kabine und dachte über die metaphorische Bedeutung von
Star-Wars
-Filmpuppen nach – für einen Artikel, der niemals erscheinen würde. Ich dachte über die Anordnung der Filmpuppen nach, die dekorativ oben auf meinen Aktenschränken saßen, und spielte mit dem Gedanken, ihnen einen neuen Luke Skywalker mit Yoda auf dem Rücken hinzuzufügen (Gott sei Dank gibt es Büros, den letzten Spielplatz des Erwachsenen, der nicht erwachsen werden will). Ich war neun Jahre alt, als
Star Wars
in die Kinos kam, und wie so viele meiner Altersgenossen habe ich diese Phase nie wirklich hinter mir gelassen. Und als nun, zweiundzwanzig Jahre später,
Die dunkle Bedrohung
in die Kinos kam und man aus diesem Anlass eine Reihe neu entworfener Filmpuppen aus der ursprünglichen Trilogie auf den Markt brachte, hatte ich einen starken posthypnotischen Drang verspürt, sie zu kaufen.
Ich habe den Eindruck, dass sich die Filmpuppen in diesen zwanzig Jahren stark verändert haben. Die Farben sind kräftiger, die Puppen sind detailgenauer gearbeitet, und in mancherlei Hinsicht ähneln sie tatsächlich den Schauspielern, die sie verkörpern. Sie haben bessere Accessoires, sie sind etwas größer, und sie sind anatomisch genauer. Echte Menschen hingegen scheinen, wenn sie älter werden, an Farbe und Detail zu verlieren, und wenn sie dieLebensmitte überschritten haben, fangen sie manchmal sogar an, zu schrumpfen. Luke, Han, Leia und sogar Obi-Wan scheinen etwas anmutiger zu altern als
Weitere Kostenlose Bücher