Zeitbombe Internet
für Low-Tech-Angriffe anfällig macht: Eine Kommission des US-Kongresses warnte zum Beispiel 2004 vor elektromagnetischen Wellen, mit denen Gegner ihre sämtlichen Geräte auf einem Schlachtfeld auÃer Kraft setzen könnten. Andere haben seither erklärt, ein paar Kilotonnen Sprengstoff auf wichtige Rechenzentren und Internetknotenpunkte täten es auch.
Das GPS-System zur globalen Positionsermittlung via Satellit, das vielen Benutzern moderner Handys und Navigationsgeräte ein Begriff ist, ist eigentlich eine militärische Einrichtung. Anders als die kommerziellen Anwendungen ist die GPS-Positionsbestimmung für Militärs zwar verschlüsselt (und im übrigen sehr viel genauer als die kommerziell übliche), doch gab es inzwischen etliche Berichte, nach denen auch diese Funktionen bereits gehackt worden seien. Die Chinesen haben nach Angaben des Informatikforschers Gaycken »eine eigene Anti-GPS-Einheit aufgebaut, die mit elektronischen und CybermaÃnahmen GPS-Signale jammen und spoofen kann«. Das ist Technikersprache für: Man kann sie stören. Im Kommando der amerikanischen Pazifikflotte sind schon Zweifel daran aufgetaucht, ob in einer Auseinandersetzung mit den Chinesen überhaupt die Navigationsfähigkeit der eigenen Schiffe sichergestellt wäre.
Richard A. Clarke, was sagen Sie als langjähriger Sicherheitsberater amerikanischer Präsidenten dazu? Hat sich die westliche Welt da selber in den Fuà geschossen? Technisch rückständigere Länder gewinnen den nächsten Krieg, weil die fortschrittlicheren Länder im groÃen Stil auf eine viel zu wacklige Technik gesetzt haben?
»Ich weià natürlich nicht, wer gewinnt. Wir haben ja noch nicht mal den Kampf begonnen. « Clarke lacht. »Es gibt aber etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Nationalstaaten, die ernsthaft angefangen haben, Cyberkriegseinheiten aufzubauen. Einige Länder wie die USA, vermutlich auch Russland und Israel, sind recht fortgeschritten. Andere Beteiligte wie Nordkorea sind noch auf einem primitiven Stand. Im Lauf der Jahre werden Cyberkriegseinheiten immer mehr zu einem normalen Teil des Militärs gehören. Jede Nation wird eine haben.«
Und Supermächte wie die USA können eines Tages von Ländern wie Nordkorea in die Knie gezwungen werden?
»Vermutlich nicht. Aber eines muss man wissen: Jeder, der einen offensiven Cyberkrieg betreibt, zwingt den Verteidiger dazu, eine Menge Geld auszugeben. Der Angriff ist viel billiger als die Verteidigung.«
Man muss jetzt nicht erst die Feinheiten der Washingtoner Lobbyistenszene kennen, um zwischen den Zeilen herauszuhören: Es geht auch ums Geld. Es geht um massive neue Militärbudgets, um den Anlass für ein neues Wettrüsten. Das Magazin New Yorker schätzte kürzlich, dass allein die US-Bundesregierung 12 bis 14 Milliarden Dollar jährlich für Cybersicherheit ausgebe, aber das ist nur ein Anfang. Die Clarkâsche Botschaft ist angekommen. John Michael McConnell, ein früherer Chef des technischen Geheimdienstes NSA und nationaler Sicherheitsberater von George W. Bush, verglich die Gefahren eines digitalen Krieges kürzlich mit denen von Nuklearattacken und schrieb in der Washington Post : »Wir verlieren ihn.« Der Director of National Intelligence Dennis Blair warnte den Kongress: »Eine Reihe von Ländern, darunter Russland und China, kann Elemente der amerikanischen Informations-Infrastruktur stören.«
Die Militärs in Washington bekamen ihre Budgetwünsche jedenfalls erfüllt. Zeitweise stritten sich die Waffengattungen Armee, Navy und Luftwaffe erbittert darum, wer vordringlich für die Verteidigung des amerikanischen Cyberspace zuständig sein sollte â bis der technische Geheimdienst NSA den Zuschlag des Präsidenten bekam, als lachender Vierter sozusagen. »Es ist ganz klar, dass diese neue Cyberagentur der Verteidigung wie auch dem Angriff dient«, sagt James Bamford, ein Sachbuchautor und Kenner der amerikanischen Geheimdienstszene. In Fort Meade bei Washington ist seit Halloween 2010 das »US Cyberkommando« »voll einsatzfähig«. »Das Pentagon hat formell den Cyberspace als eine neue Waffengattung anerkannt«, erklärte William J. Lynn III, Vize-Verteidigungsminister, im Magazin Foreign Affairs .
Sicherheitshalber haben die Vertreter der einzelnen Waffengattungen zusätzlich ihre eigenen »Cyberkommandos«
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