Auf gluehenden Kohlen
Teil 1 Der Absturz
Erstes Kapitel
1
Am Tag, als die G ötter seine Vernichtung beschlossen, nahm Peter Haie sein Frühstück auf der Terrasse seines Eigentumsapartments ein. Die Sonne begann gerade über der Stadt Portland aufzugehen, und eine blutrote Aura umgab die flache, schwarze Silhouette des Mount Hood. Die dunkle Großstadt sah aus wie ein blauschwarzer Teppich, auf dem kreuz und quer Weihnachtskerzen brannten. Ein Dichter hätte die Schönheit des Sonnenaufgangs genossen, aber Peter freute sich aus einem anderen Grund auf den nahenden Tag. Er glaubte, dass Galilei sich geirrt hatte, als er sich eine Erde vorstellte, die sich um die Sonne dreht. Im Grunde seines Herzens wusste Peter, dass die Sonne, die langsam über seiner Stadt aufging, um ihn kreiste.
Ein Kr ümel seines Schrotbrötchens fiel ihm auf das Bein seiner grauen Armani-Hose. Er schnippte ihn weg, dann trank er einen kleinen Schluck von dem Cappuccino aus der Espressomaschine, die die marmorne Arbeitsfläche seiner Designerküche zierte. Peter bewohnte das Eigentumsapartment, führ einen feuerwehrroten Porsche und kassierte ein fünfstelliges Gehalt als Mitarbeiter der Anwaltskanzlei Haie, Greaves, Strobridge, Marquand & Bartlett, bei der er im vierten Jahr angestellt war. Das Gehalt deckte nicht alle seine Ausgaben, und Peter hatte sich gerade eben etwas übernommen, aber er hatte nie Schwierigkeiten, Darlehen, Kredite auf seinen Wagen oder ähnliches zu bekommen, weil jeder wusste, dass er der Sohn von Richard Haie war, dem Mitbegründer der Firma und ehemaligen Präsidenten der Anwaltskammer des Staates Oregon. Trotz allem war Peter kein glücklicher Mensch. Die Wohnzimmervorhänge bewegten sich. Peter blickte über die Schulter. Priscilla tapste über die Terrasse, mit nichts weiter bekleidet als einem viel zu großen Trailblazer-T-Shirt. Sie war Stewardess bei United. Peter hatte sich seit ein paar Monaten hin und wieder mit ihr verabredet. Die meisten Männer hätten für so eine Geliebte gemordet, aber Priscilla redete immer öfter von »Bindung«, und Peter fand es immer schwieriger, den Diskussionen über das gefürchtete »B«-Wort aus dem Weg zu gehen. Priscilla beugte sich herab und küsste Peter auf die Wange. Sein Kopf bewegte sich leicht zur Seite, und sie spürte die Zurückweisung.
»Junge, bist du ein Miesepeter heute Morgen«, sagte Priscilla, bemüht, sich die Kränkung nicht anmerken zu lassen. »Ich muss los zum Gericht«, antwortete er schroff.
»Wie läuft der Prozess?«
»Fabelhaft für Sir Richard. Nicht so gut für mich.« Priscilla setzte sich gegenüber von Peter hin. »Woran hapert's?« fragte sie.
»An immer denselben verfluchten Sachen, seit ich den Fehler gemacht habe, für meinen Vater zu arbeiten.« Peter versuchte nicht, seine Bitterkeit zu verbergen. Es tat so gut, seiner Wut freien Lauf zu lassen.
»Gestern Abend, gleich nach der Verhandlung, hat mir Sir Richard mitgeteilt, dass er alle wichtigen Zeugen des Beklagten ins Kreuzverhör nehmen und seinen Schlussantrag stellen will.« »Dein Vater hat dich doch aber einige Teile des Falls untersuchen lassen, oder?«
»Er hat mich ein paar unbedeutende Zeugen vernehmen lassen. Das ist so ungefähr alles.«
»Ach, Peter. Es tut mir leid. Ich weiß, wie sehr du damit gerechnet hast, Hauptbevollmächtigter zu werden.«
»Na gut«, zuckte Peter die Achseln, »ich hätte es wissen sollen. Mein Vater muss einfach allen Ruhm selber ernten.« Peter sah hinaus in den Sonnenaufgang, aber seine Gedanken waren nach innen gerichtet. Als sein Vater ihn gefragt hatte, ob er Lust hätte, bei Haie, Greaves zu arbeiten, hatte Peter sich vorgestellt, er würde eine kurze Lehrzeit hinter sich bringen, der rasch eine Reihe größerer Fälle folgen würden, bei denen er als Hauptbevollmächtigter fungieren, Urteile, an denen viele Millionen hingen, für sich entscheiden und seinen Ruf in der Juristenwelt begründen könnte.
Vier Jahre Dienst als Richard Haies Untergebener waren n ötig gewesen, um ihn zur Besinnung zu bringen. An der Sache Elliot gegen Northwest Maritime hatte er vom ersten Tag an mitgear beitet, und er kannte sich in dem Fall besser aus, als sein Vater es je tun w ürde. Wenn sein Vater ihn nicht im Fall Elliot als Hauptbevollmächtigter auftreten lassen wollte, hatte er wenig Hoffnung, das bei einem größeren Fall in der nahen Zukunft zu schaffen. Er musste sich vom Einfluss seines Vaters befreien. Wenn nötig, sogar von Haie, Greaves weggehen. Ein neuer
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