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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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die Universität Toronto als Internetforscher, mal als Cheftechniker einer kleinen Firma, die Zensursperren im Internet knackt, dann wieder wirkt er als Vordenker an aufsehenerregenden Studien der »OpenNet Initiative« mit, die staatliche Internetzensoren in einundsiebzig Ländern überwacht.
    Nart Villeneuve hatte maßgeblich seine Finger im Spiel, als Ende 2008 das GhostNet enttarnt wurde. Der Fall machte damals Schlagzeilen in aller Welt: Unbekannte Hacker hatten es geschafft, mindestens 1295 Computer in hundertdrei Ländern zu einem Verbund zusammenzuschalten und einem gemeinsamen Ziel unterzuordnen – Spionage im ganz großen Stil.
    Der Dalai Lama, ausgerechnet der Dalai Lama, hatte eine Gruppe von Computerfreaks aus dem Umfeld der Universität Toronto um Hilfe gebeten. Die tibetische Exilregierung sorgte sich um die Sicherheit ihrer Computer im Hauptquartier im indischen Dharamsala sowie in London, Brüssel und New York. Ein Kollege Villeneuves fuhr hin und merkte schnell: Auf den Computern waren einige wohlbekannte Schädlinge versteckt, zu denen das chinesische Spionageprogramm »Gh0st Rat« gehörte. Die Geisterratte. Noch während die Kanadier die Computer näher untersuchten, merkten sie, dass wirklich jemand aus der Ferne am Werk war. Dokumente wurden vor ihren Augen kopiert und an einen unbekannten Ort im Internet verbracht. Und als das Team um Nart Villeneuve die
Schadprogramme einem Virustest unterzog, fanden nur elf von vierunddreißig Antivirusprogrammen überhaupt etwas Beanstandenswertes. »Eine Menge von diesem Zeug rauscht an den Schutzprogrammen einfach vorbei«, sagt der Meister.
    Villeneuve gelang es am Ende, selbst die Kontrolle über jene Computer zu übernehmen, die offenbar die Tibeter überwachen sollten. »Die hatten das nicht vernünftig gesichert«, sagt er. Zwei Wochen lang war er der Herr über das Schattennetz. Er hätte den Marsch der Geisterratten befehligen können. Doch er sah nur zu, zu welchen Missionen sie von anderen geschickt wurden.
    Und siehe da: Der Dalai Lama war offenbar nur eine Nebenfigur. Das GhostNet reichte in mehrere Außenministerien hinein, in Botschaften, Verbände, Banken, Nachrichtenagenturen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Handelsfirmen. »Völlig zweifelsfrei konnten wir nie nachweisen, wer hinter diesen Angriffen steckt«, sagt Villeneuve. Er fand heraus, dass die Rechner der Hacker irgendwo auf der chinesischen Insel Hainan standen. Und dass sie offiziell nicht zu einer militärischen oder staatlichen Einrichtung gehörten.
    Einzelne Hacker oder ganze Staaten? Mit dieser Frage ist Villeneuve oft konfrontiert, und er sagt, dass sie unheimlich schwer zu beantworten sei. Er hat schon kleine Hackergruppen und sogar Einzeltäter – einen Studenten in Moskau, ein einsames Computergenie in Birma – überführt, die so geschickt im Internet betrogen oder randalierten, dass alle eine gewaltige Organisation dahinter vermuteten.
    Villeneuve sagt aber auch, dass es genau umgekehrt sein kann.
    Hacker der Nation: Die Roten mit den schwarzen Hüten
    Xiao Wang schlägt als Ort für ein Treffen das Village vor, das modernste Ausgehviertel von Peking. Es wurde zu den Olympischen Spielen eröffnet. Die Glasfassaden hat ein japanischer Architekt entworfen und so verwinkelt aufstellen lassen,
dass ein Labyrinth aus Gassen, Übergängen und Tunneln entstanden ist.
    Der Mann kennt in Peking viele Hacker persönlich, er hat ihre Gesichter gesehen und nicht nur ihre Codes auf einem Bildschirm. Xiao Wang, das ist sein Tarnname, bestellt einen Thunfisch und trinkt einen Waldbeerensaft. Im Restaurant Element Fresh mischen sie gern chinesische und westliche Rezepte. Xiao Wang sagt, dass »die Hackerszene in Peking ähnlich heterogen wie die Musikerszene« sei. Immerhin, einen Unterschied gebe es. Während Musiker und ihre Fans wenigstens zu Konzerten zusammenkommen, sind die Hacker hauptsächlich übers Web verbunden. Sie hausen in irgendwelchen Plattenbauten, mieten die Wohnungen für ein paar Monate, stellen ihre Computer auf Spanplattentische, nebendran eine Klappliege, und los geht’s. Wenn es sein muss, haben sie ihre Sachen in dreißig Minuten gepackt.
    Es ist ein Paradox, das mitten in China – in einem Staat, der Polizisten in Internetcafés aufpassen lässt und das Netz streng kontrolliert – schon Mitte der neunziger Jahre eine

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