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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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dazu eine enge Weste mit Goldlitzen und eine Kniebundhose, die seine knochigen Schienbeine sehen ließ. Er war klapperdürr und alt, meiner Schätzung nach weit über siebzig, es war ein Wunder, dass er überhaupt noch in dem Tempo rudern konnte. Zumal er nur mit einem Auge sah: Das andere war wie bei einem Piraten von einer schwarzen Klappe bedeckt.
    Dass Allermerkwürdigste aber war: Er kam mir irgendwie bekannt vor, obwohl ich keine Ahnung hatte, wo ich ihn schon gesehen hatte.
    »Was für ein Freak«, sagte Matthias.
    »Bestimmt übt er schon für Sonntag«, meinte ich. Mir war gerade eingefallen, dass die Regata storica bevorstand, ein Ereignis, das in Venedig jedes Jahr am ersten Sonntag im September Einwohner und Touristen anzog. Eine Menge Boote starteten zu dieser historischen Fahrt auf dem Canal Grande, herausgeputzt wie vor Hunderten von Jahren. Mama hatte schon gesagt, dass wir es uns anschauen würden.
    »Stimmt«, sagte Matthias. »Die Regata storica. Gehst du auch hin?«
    Als ich bejahte, erklärte er sofort, dass er sie sich ebenfalls ansehen wolle. Unwillkürlich fragte ich mich, ob ich ihn nun die beiden nächsten Wochen von früh bis spät am Hals hatte.
    »Eigentlich will ich gar keine Schuhe«, sagte ich.
    »Sondern?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht …« Egal, Hauptsache, irgendwas, das schnell gekauft war, damit ich wieder ins Hotel konnte. Es lag nicht allein an Matthias, dass ich auf einmal keine Lust mehr auf neue Schuhe hatte. Eigentlich war er ganz in Ordnung. Er war umgänglich und freundlich und machte sogar hin und wieder Witze, über die ich lachen konnte. Aber vorhin, beim Anblick der roten Gondel, hatte ich dieses komische Jucken in meinem Nacken gespürt. Und es war seither nicht richtig weggegangen. Ich hatte das Bedürfnis, mich irgendwo zu verkriechen.
    Wir kamen an der Einmündung einer winzigen Gasse vorbei, an die ich mich nicht erinnerte, obwohl ich die ganze Gegend um San Marco herum schon mehr als einmal ausgiebig abgeklappert hatte. Ein altertümlich bemaltes, über einer Ladentür hängendes Schild weckte meine Aufmerksamkeit.
    »Da ist ein Maskenladen«, sagte ich. »Komisch. Als ich das letzte Mal hier langgegangen bin, habe ich den nicht gesehen.«
    »Willst du dir eine Maske kaufen? Anstelle der Schuhe?«
    »Hm … Ja, wieso nicht.«
    Und so kam es, dass ich in dem winzigen, von Masken und alten Kostümen überquellenden Laden herumstöberte. Ein staubiger Geruch hing in der Luft, als ob das ganze Zeug schon seit Jahren hier war, ohne dass sich je ein Mensch dafür interessiert hätte. Fadenscheinige Umhänge, zerfledderte Federboas, eigenartige, bestickte Samtjacken. Und Masken. Jede Menge Masken. Es gab die typisch venezianischen Masken, die sich die Leute zu Karneval aufsetzen, manche mit langen, schnabelartigen Nasen, andere mit goldverzierten, ebenmäßigen Gesichtszügen oder auch weiße und schwarze Halbmasken, die nur die obere Gesichtspartie bedeckten. Andere waren Fabelwesen und Tieren nachempfunden.
    »Die Katze«, sagte eine kratzige Stimme.
    Ich fuhr herum und sah aus den dunklen Tiefen des Ladens eine alte Frau auftauchen. Mit ihrer gebückten Gestalt und dem dünnen grauen Haarknoten kam sie mir eigenartig bekannt vor, doch ich hatte keine Ahnung, wo ich sie schon gesehen hatte. Anscheinend passierte mir das in Venedig öfter. Zuerst der Gondoliere und nun diese alte Frau.
    Sie hatte so gut wie keine Zähne mehr und ihr Gesicht war zerknittert wie uraltes Pergament.
    Ihre Hände waren von Gicht verkrümmt, doch sie bewegte sich erstaunlich flink, als sie eine Maske von einem der Ständer nahm und sie mir hinhielt. »Nimm die Katze, Kind.«
    Es war eine schöne Maske, mit schwarzem Samt bezogen und ringsum mit goldenen Fäden bestickt, sodass es fast aussah, als hätte sie Haare. Die Augenlöcher waren mit winzigen Perlen umrandet und unter der Nase waren täuschend echt wirkende Schnurrhaare aufgenäht. Man konnte die Maske mit Seidenbändern befestigen. Ich probierte es aus und fand, dass sie überraschend gut passte. Sie drückte und rutschte nicht, sondern lag überall perfekt an, als sei sie extra für mich gemacht worden.
    Und sie sah teuer aus. Wahrscheinlich kostete sie ein Vermögen. Ich wollte sie der Alten wieder zurückgeben, doch Matthias kam mir zuvor. »Was soll sie denn kosten?«, fragte er die Frau auf Italienisch. An mich gewandt, setzte er flüsternd hinzu: »Ist alles Verhandlungssache.«
    »Was kann das Mädchen denn bezahlen?«,

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