ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
dort, waren reine Bewegung, Fluss unendlicher Formen …
Bilder vergangener Jahrhunderte imaginierten sich in seinem Bewusstsein. Er schaute Sonnenauf- und Sonnenuntergänge, fliegende Wolkenfetzen, Schlachten, Schiffsflotten, Kanonendonner, entweihte Heilige Stätten, weinende Stammesmitglieder und rituelle Zeremonien, an denen die Schatten der Geister teilnahmen. Weiter sah er nun abstürzende Flugzeuge, strandende Schiffe und Mengen unbeweglicher Autos. Plötzlich spürte er die Stille, die über die Welt gekommen war. Und als er sich dieser Stille anvertraute, fühlte er den Druck in seiner Brust, hervorgerufen durch die vorangegangen, furchtbaren Erinnerungen, endlich weichen. Nun war er weder Fels, noch Form, nicht nur an einem Ort, er war an allen Orten der Erde gleichzeitig, er war die Erde. Durch seine inneren Strukturen fühlte er einen Ruck gehen, als löse sich blockierte Energie, die sich in Bewegung setzt, immer schneller und reißender wurde, dann schäumend zu Tale stürzte. Sich schlängelnd ihr Bett grabend, kroch die silbrige Weltenschlange dem Ozean entgegen, nichts würde sie aufhalten können – nichts!
Freude, überschäumende Freude füllte ihn vollständig aus, war überall, er war das Alpha und das Omega, das Chi und die Schwingung in den jauchzenden Strudeln des Lebens …
Das erste, was er fühlte war – Leere, dann folgten Kühle, Nässe, Durst und Schmerz. Noch bevor er die Augen öffnete, lokalisierte er den Schmerz in seiner Stirn, nein, an der Stirn. Mühsam hob er die Lider und erblickte nur Schwärze, seine Hand hing im Wasser. Blitzartig kehrte die Erinnerung zurück: Er lag am Rand des Ojo santo, auf dem nackten Fels.
Müde raffte er sich hoch und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Die Fackel war längst ausgebrannt. Mit zitternden Fingern entzündete er eine neue. Die feste Welt der Formen nahm nun wieder von seinem Bewusstsein Besitz. Sein Durst war unerträglich. Er trank etwas, lehnte sich erschöpft an den Stein hinter sich, in dem Gran’ Capulla de vida verborgen war. Umschlossen vom Fels ruhte sie dort, seit tausend Jahren von keinem Auge geschaut, verbunden mit den feinen Wasseradern des Ojo santos, sandte sie ihre sanften Energiemuster pausenlos in das unendliche Meridiannetz von Mutter Erde – so, wie ein Herz das Blut in die Adern allen Lebendigens pumpt.
Die Botschaft Gran’ Capullas war eindeutig: Die Dinge waren in Fluss, drängten machtvoll zur Entfaltung. Gran’ Capulla war nun bereit für die Zeremonie der Masken . Brayasil rief den Rat herbei. Die Zeit, die dieser für die Bewältigung des Camino negro bräuchte, würde er nutzen, um die nun erforderlichen Vorbereitungen zu treffen.
20.05.2020; Mittwoch; 16:17 Uhr/MEZ; Eckernförde-Borby, Birtes Elternhaus
Viele, der in den Anfangsjahren sehr erfolgreich arbeitenden Komitees, waren mittlerweile von Ethikräten abgelöst worden, deren Handeln vom Gedankengut der Spiritistengemeinden geprägt waren.
Seit Bestehen wurde von ihnen ein allgemeiner Ehrenkodex angewendet, den seinerzeit die geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Hochschulen ersannen. Nach ihm sollte sich das soziale Verhalten der Menschen ausrichten. Er sollte einfach, klar und für jedermann verständlich sein.
Schon in den Kindergärten wurden den Kleinen die acht Leitbegriffe in einem Lied vermittelt, das allerorten gesungen wurde.
Es ging so:
Wir ehren und erschaffen
erklären uns genau
Wir teilen alle Sachen
tolerieren Mann und Frau
Bewahren Mutter Erde
erkennen Gott in ihr
Bewirken , dass sie Früchte trägt
ihre Samen, das sind wir
Der Kodex beschrieb die gesungenen Leitprinzipien genauer:
1. Ehre das Leben
2. Tu was du kannst
3. Sage was du wünschst
4. Gib, was benötigt wird
5. Verurteile Niemanden
6. Behüte die Schöpfung
7. Sieh mit dem Herzen
8. Wirke durch Liebe
Unmittelbar nach dem Wunder von Garding, bei dem die Konzertbesucher mit eigenen Augen sahen, wie Kerstin, die Pastorin in rosa Flammen stand, sie dabei erlebten wie diese unglaubliche LIEBE sich über sie ergoss – und, als ob es damit noch nicht genug wäre, blieb die Zeit auf unerklärliche Weise für eine Weile stehen.
Dass dies tatsächlich geschehen
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