ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
Maschine musste mitten über dem Atlantik abgestürzt sein.
»Dominik, wie schrecklich! Das habe ich nicht gewusst. Jetzt verstehe ich, wie Ihnen zumute sein muss«
»Seinerzeit habe ich geglaubt, die Mayalegenden hätten sich bewahrheitet, alles sei Schicksal, an dem wir nicht rütteln können, aber jetzt scheint doch einiges auf einen Terrorakt hinzudeuten. Ich hoffe inständig, dass die Terroristen gefasst und zur Rechenschaft gezogen werden. Es war gut, dass Sie das dem BND gesteckt haben, danke!«
Lange hatte sie über das Gespräch nachdenken müssen. Bisher hatte sie es nie unter dem Aspekt der persönlichen Betroffenheit oder gar aus der Perspektive von Hinterbliebenen gesehen, sondern eher als schicksalhafte Herausforderung. Sie erinnerte sich gut daran, wie sehr sie damals von der Idee besessen war, dass Stettner damit zu tun hatte. Dann aber, als alle weiteren Recherchen in der Sackgasse landeten und von aktuelleren Tagesgeschehnissen überlagert wurden, da hatte sie sich selbst gescholten und als eine von einer verrückten Idee Besessene, bezeichnet.
Nun kam alles wieder hoch. Wenn Stettner doch damit zu tun hatte, warum hatte er das gemacht? Sie wusste wohl von seinem immer stärker werdenden Hang zu linken Ideologien, aber dafür
Menschen opfern? Das traute sie ihm nicht zu, schon gar nicht seinem möglichen Komplizen Simon Büttner.
Aber wenn es Ihnen wirklich gelungen war, mittels Gedankenkräften die Siliziumschips zu sabotieren, wie verdammt noch mal, hatten sie das angestellt? Wie passte diese Pastorin in die ganze Geschichte hinein? Es gab nur einen Weg mehr darüber zu erfahren: Jens! Der war damals hautnah dabei, und sie kannten sich schon lange. Sie musste die alte Spur wieder aufnehmen. In ihrer jetzigen Position würde es ihr auch besser gelingen, Vorteil aus der Sache zu schlagen – viel mehr, als sie damals in Kiel dazu in der Lage gewesen wäre.
Ihr Puls begann vor Aufregung wild zu hämmern. In ihrer Fantasie nahm eine Idee Gestalt an: Ja, so könnte es gehen…
22.03.2020; Sonntag; 17:00 Uhr/Ortszeit Mexiko; Heilige Höhlen
Die Oberfläche des Ojo santo lag schwarz glänzend wie ein polierter Hämatit vor ihm. Er war allein gekommen, die übrigen Mitglieder des Großen Rates warteten vor dem Eingang des Camino negro. Auf dem steinernen Podest, auf dem die alte Weise damals in das Reich der Geister gegangen und nicht zurückgekommen war, nahm er Platz.
Seither war viel passiert, doch noch immer herrschte im Rat eine große Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Er, Don Rodriguéz Brayasil, war gekommen, um im Angesicht des Ojo santo über das Ereignis zu meditieren. Sein Nagual hatte ihm dazu geraten, nicht klar und unmissverständlich, sondern in geheimnisvollen Andeutungen.
Er fühlte den Kraftstrom, der an diesem Heiligen Ort zu Hause war, und mutete auch das fein modulierende Feld von Gran’ Capulla de vida , deren Lebensenergie den dreizehnten und somit letzten Schädel beseelte. Er wusste ihn gut verborgen in seinem Rücken. Man musste ihn nicht sehen, um zu wissen, dass er dort war und das seit mehr als tausend Jahren.
Eigentlich hätten sie nach dieser Zeit längst wieder eine große Schädelzeremonie abhalten müssen, hätten längst eine Großmutter mit der Ausbildung einer Geweihten betrauen müssen. Sie hatten all dies nicht getan, weil immer klar war, dass sich der Kreis im Sternbild des Wassermannes schließen und erneuern würde. Das war der Grund, warum sie nun seit Jahren auf den richtigen Zeitpunkt für die Finale Zeremonie der singenden Schädel warteten.
Generation um Generation hatte diesem Zeitpunkt entgegen gefiebert und dazu beigetragen, dass die Arbeit und Mühsal der vielen Ahnen Früchte tragen würde. Diese uralten Mythen waren Teil des Mayablutes, das noch immer in seinen Adern zirkulierte und in denen seines Stammes. Nun aber galt es, das derzeitige Vakuum, diesen Umbruch der Zeiten, in dem sie sich befanden, zu meistern.
Er musste seinem Volk und der Welt Führung und Hoffnung geben. Es war an ihm, das Ziel unbeirrbar im Auge zu behalten und sich von keinen äußeren Umständen verunsichern zu lassen. Er musste stark sein wie der Fels in der Meeresbrandung.
In diese bildhafte Vorstellung begab er sich hinein , fühlte die Wasser an seine Füße schlagen, spürte Himmel und Weite über sich, war stark, fest und unbeweglich – doch in ihm wirbelten unglaubliche Energien, tanzten, schäumten, waren hier, blitzten
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