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ZEITLOS (German Edition)

ZEITLOS (German Edition)

Titel: ZEITLOS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Finnings
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Poly-Silizium, Siliziumdioxid und dotiertem Silizium beschichtet. Das sind komplizierte Fertigungsprozesse, die es erlauben, auf kleinstem Raum Millionen von Transistoren und anderen Halbleiterelementen unterzubringen, die letztendlich die ungeheuren Datenmengen digital speichern und verarbeiten können. Soweit zur Hardware.
    Wenn es uns gelänge, das hochreine, monokristalline Silizium instabil zu machen, dann würde es laut dem zweiten Erhaltungssatz der Thermodynamik auf eine Kristallgitterstruktur geringerer Ordnung zurückfallen …« – »  ... und wäre damit quasi kurzgeschlossen – und das dauerhaft!«, ergänzte Markus, der den genialen Ansatz in Simons Ausführungen sofort durchschaute.
    »Wenn Silizium für die Chipherstellung unbrauchbar würde«, spann Lars den Faden weiter, »dann weicht die Industrie eben auf Germanium, Bor und was es sonst noch gibt, aus. Aber das wäre doch keine wirklich dauerhafte Lösung.«
    Simon hielt dagegen: »Klar, theoretisch könnte man, aber praktisch nicht. Wenn durch den Daten-GAU alle Maschinen stillstehen, dann bedürfte es einer längeren Zeitspanne, bis man wieder in der Lage wäre, deinem Denkansatz zu folgen und Prozessoren ohne Silizium herzustellen. Die Maschinen, die Prozessoren herstellen, dürften nämlich auch mit Siliziumchips gesteuert sein.« Simon war jetzt mit Eifer dabei. »Deshalb brauchen wir Coratscha. Das sehe ich als einzige Möglichkeit, denn ihre Seele muss mit dem Geist des Siliziums verbunden sein. Die Schädel, die alle aus diesem Material bestehen, kommunizieren miteinander. Da liegt der Gedanke nicht fern, dass der Urgeist des Siliziums alle entsprechenden Kristallgitter aufbaut.«
    »Leute, das ist der totale Wahnsinn!« Begeisterung blitzte in Edelgards Äußerung auf. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir ein derartiges Szenario einmal durchspielen sollten. Was wäre, wenn uns das gelänge: Alle Computer stehen still, wenn NHE es will! WOW!«
    Abrupt kehrte Stille ein. Für einen Augenblick hing jeder den Worten nach: Wenn NHE es will!
    Birte sprach aus, was wohl alle dachten. »Vergesst die Warnung von Coratscha nicht. Sie ermahnte uns ausdrücklich, dass wir das moderne Wissen nicht verschütten dürfen. Wir brauchen es, um uns auf die Zeitenwende vorzubereiten.« Birte, die sonst sehr wenig in dieser Runde sagte, erhielt Unterstützung durch Brayasil. »Darin liegt wahrscheinlich der Schlüssel. Wir müssten dafür Sorge tragen, dass das Wissen erhalten bleibt. Der Zusammenbruch der schnellen Datenprozesse könnte uns eine Verschnaufpause bescheren, die wir Menschen nützen müssen, um uns aus der geistigen Unfreiheit zu lösen und die Weisheit in unseren Herzen zu mehren.«
     
    Ihre Diskussion dauerte bis nach Mitternacht, und sie hätten wohl auch dann noch nicht ins Bett gefunden, wenn die Bedienung ihnen nicht unmissverständlich klar gemacht hätte, dass sie nun Feierabend habe.
    Brayasil hatte weitere Andeutungen über den Verlauf der Zeremonie am kommenden Mittwochmorgen gemacht. Dabei schwieg er sich jedoch beharrlich darüber aus, warum sie ausgerechnet in dieser Stadtkirche stattfinden sollte. Er versicherte, und das war das einzige, was sie aus ihm herausbrachten, dass sie während dieser Zeremonie ihre persönlichen Geistführer, die die Schamanen Krafttiere nennen, kennen lernen würden. Darüber hinaus würden sie durch diese Zeremonie für das weltweit tätige Schamanennetzwerk initialisiert werden.
    Das klang geheimnisvoll und für die meisten von ihnen wie eine Verheißung. Nur Kerstin, die Pastorin, schien wieder einmal in größere Konflikte mit ihrem kirchlichen Gewissen zu geraten. Sie versuchte mehrfach vergeblich, einen anderen Zeremonienort ins Gespräch zu bringen, doch Brayasil bestand auf eben diese Stadtkirche.
    Markus sah beim Hinaufgehen in ihre Zimmer, dass Birte mit Kerstin in ein leises Gespräch vertieft am Fuß der Treppe stehen geblieben war. Birte umarmte die Freundin tröstend und drückte sie an sich. Über Kerstins Schulter bedeutete sie ihm, dass sie gleich nachkäme. Er nickte dazu geistesabwesend. In seinem Kopf kreisten Bilder vom Atomgitteraufbau des hochreinen Siliziums und er überdachte noch einmal Simons Argumentationskette. Wenn ihm jemand vor zwei Jahren prophezeit hätte, in welcher Situation er sich mal befinden würde, er hätte nur müde lächelnd abgewinkt und kein Wort geglaubt. Aber jetzt bewegte er sich seit mehr als anderthalb Jahren auf unglaublichem Terrain:

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