ZEITLOS (German Edition)
Geisteskraft versus physischer Realität .
Während er sich die Zähne putzte, hörte er die Zimmertür klappen. Birte kam. Noch mit der Zahnbürste im Mund steckte er den Kopf fragend aus der Badezimmertür. »Kerstin steckt mal wieder in einem inneren Zwiespalt, wegen ihres kirchlichen Glaubens. Es ist ihr sehr unangenehm, in einer Stadtkirche an einer schamanischen Zeremonie teilzunehmen. Sie sagt, sie komme sich vor wie eine Ketzerin. Sie hat geweint. Ich kann sie verstehen.«
»Ich auch! Mir ist auch nicht wohl bei dem Gedanken. Was denkt sich Brayasil nur dabei? Was ist, wenn andere Besucher die Kirche besichtigen wollen?« Die Fragen blieben unbeantwortet.
Vorsichtshalber stellte er sich den Wecker und legte routinemäßig Stift und Notizblock auf dem Nachttisch bereit. Sie schliefen beide rasch ein, denn der Tag war anstrengend gewesen.
Am nächsten Morgen war Markus schon vor dem Klingeln des Weckers wach. Draußen war es noch dunkel, nur der fahle Schein einer Straßenlaterne leuchtete durch die Fenstervorhänge. Neben sich hörte er die regelmäßigen Atemzüge Birtes. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und versuchte sich an Träume zu erinnern, aber da war nichts! So sehr er sich auch anstrengte, er konnte sich an keinerlei Traumgeschehen erinnern.
Er griff zum Notizblock, kniff die Augen zusammen um zu sehen, ob er sich etwas notiert hatte. Da stand tatsächlich etwas. Er konnte das Gekritzel nicht erkennen und stand leise auf, um mit dem Block ins Badezimmer zu gehen. Er brauchte einige Sekunden, um die Augen an die Helligkeit der Badbeleuchtung zu gewöhnen, dann las er, was er in der Nacht aufgeschrieben hatte:
Materie <----> Kraftfeld??
Materieteilchen in Wechselwirkung zu ihrem Kraftfeld? Jetzt fiel ihm der Traum ein! Genau! Es ging um die uralte Frage nach Ei oder Huhn, was war zuerst da? Im Traum hatte er eine Vision gesehen, und er erinnerte sich, dass ihm darin mit glasklarer Transparenz bewusst war, dass schwingende Kraftfelder in ihrem unendlichen Tanz Materieteilchen vor sich her schoben, gleichsam als würden sich in den Kreuzungspunkten sich überschneidender Täler und Wellen, Effektpunkte bilden, die die Materieteilchen darstellten. Er erinnerte sich jetzt ganz genau daran, dass ihm das ohne jeden Zweifel klar war. Es war, als blitze uraltes Wissen in ihm auf.
Wie gut, dass er sich schon seit langem dieser Methode des Traumaufschreibens bediente. Er war sich sicher, dass er sonst niemals diesen Erinnerungszipfel wieder gefunden hätte. Wieso ging die Wissenschaft davon aus, dass zuerst die Materie da war und aus ihr die umgebenden Kraftfelder hervorgingen? Was, wenn das Kraftfeld das aktive Element war? Bei ihren wissenschaftlichen Betrachtungen gingen sie immer von Massepunkten in Form von Atomteilchen aus, und berechneten daraus die resultierenden Kräfte. Dabei handelt es sich bei diesen Überlegungen aber nur um die zwei gegenüberliegenden Seiten einer Gleichung, die man einfach umstellen konnte, ohne, dass das etwas am Ergebnis ändern würde?
Nun erinnerte er sich an weitere Traumsequenzen: Er sah vor seinem geistigen Auge wieder die wunderschön farbig schwingenden Frequenzkurven, die multidimensional im endlosen Nichts schwangen und Materie zusammen schoben, hierhin und dorthin. Sie bildeten dadurch die Materie des ihnen bewussten Universums. Sie schwangen in ständiger Bewegung, überraschend blitzte in ihm die Assoziation an Stringketten auf. Auch bei dieser Theorie ging man mathematisch davon aus, dass sich nicht wirklich feste Materiepünktchen, sondern schwingende Ministringketten bildeten, die aussahen wie vibrierende, fast punktförmige, Mini-Kreise – ähnlich einem zitternden Gummiband. Und er erinnerte sich noch, dass alles Bewusstsein in ständiger Wechselwirkung mit allen Gehirnen und Zellmembranen organischen Lebens stand. Jetzt war er hellwach und musste sofort mit Simon über dieses Thema reden.
Entschlossen riss er ein leeres Blatt aus dem Notizblock und notierte für Birte: Hatte einen Geistesblitz, bin bei Simon!
Nachdem er in Hose und Hemd geschlüpft war, schlich er sich aus dem Zimmer und klopfte leise an Simons Tür. Er musste sein Klopfen ein paar Mal wiederholen, bis sein Freund wach wurde. Verschlafen öffnete er. »Was willst du denn um diese Zeit? Wie spät ist es überhaupt?«
»Sechs Uhr vorbei, lass mich rein, mir ist eine unglaubliche Idee gekommen. Ich muss mit dir darüber sprechen, sofort!«
Simon gab
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