ZEITLOS (German Edition)
noch einmal!«
»Der reagiert nicht, das Laufwerk öffnet auch nicht.« Sie versuchte andere Tastenfolgen, der PC reagierte nicht.
»Nele, bleib jetzt ganz ruhig. Da ist die Arbeit der letzten sechs Monate drauf!«
Nele trat kalter Schweiß auf die Stirn. Markus nahm den Desktop in beide Hände und bewegte ihn leicht – da: Der Fortschrittsbalken ruckelte weiter, zwar nicht fließend, aber er arbeitete sich voran. Wie gebannt starrten sie beide den blauen Kästchenbalken an. »Komm schon, Junge! Halte durch. Wir lieben dich auch, aber halte durch, nur noch zwei Minuten.« Nele hörte seine albernen Worte nur im Unterbewusstsein. Sie fand Leute schon immer merkwürdig, die mit ihren Computern sprachen.
Der Balken stoppte erneut. Die Bildschirmfarben wurden bläulich. »Oh nein! Komm Junge, du darfst nicht abstürzen, halte durch! Beim heiligen Silizium, halte durch!« Wie kam er jetzt darauf? Ach ja, das neue Kalenderbild. Nele konnte den Blick nicht vom Monitor nehmen, der jetzt ins Rötliche changierte. Markus nahm erneut den Desktop und schüttelte ihn leicht. »Los, bitte… Junge , nur noch diese eine DVD, da ist die Arbeit der letzten sechs Monate drauf… nur diese anderthalb Minuten noch.« Der Bildschirm wurde wieder klar, der Balken kroch weiter.
»Vielleicht haben wir doch noch Glück. Streichle ihn weiter, anscheinend hilft’s ja.«
»Junge, …durch halten, durchhalten, durchhalten, durchh alten…« Markus' Stimme fiel in einen monotonen Singsang, ähnlich wie die berühmte Welle in den Fußballstadien. »durchhalten, durchhalten, durchhalten, beim heiligen Silizium, durchhalten, wir sind voller Dankbarkeit, durchhalten, durchhalten, liebes Silizium durchhalten… 5..4..3..2..1 Der Balken kam am Ende an, nun warteten sie noch auf die Abschlussmeldung, damit sie das Browserfenster schließen konnten. Da kam die Meldung: Vorgang abgeschlossen.
Ein Stöhnen der Erleichterung entrang sich Neles Lippen, diesmal nicht tonlos. Plötzlich wurde der Bildschirm azurblau und zeigte den Bluescreen of Death , wie die Informatiker es nannten. Das Ding war endgültig abgestürzt.
»Haben wir den Vorgang wirklich erfolgreich abschließen können?«
»Ich glaube ja. Ruf doch mal im Rechenzentrum an, dass die das kontrollieren.«
»Mach du das bitte, ich bin fix und fertig!« Nele griff zum Telefon. Der Mitarbeiter im Rechenzentrum checkte die entsprechende Datei. »Ja, hat alles geklappt. Insgesamt 4,654 Gigabyte.«
Nele sah zu ihrem Chef und reckte den Daumen in die Höhe.
»Alle 4,654 Gigabytes sind auf dem Server. Man schickt uns einen Mitarbeiter zum Austausch der Datenstation.«
»Gott sei Dank! Das hätte schiefgehen können. Solch eine Verkettung unglücklicher Umstä nde… ni cht auszudenken, wenn wir die Daten verloren hätten.«
»Tja, Chef, vielleicht sollten wir über dieses Thema sprechen, denn manchmal haben selbst die größten Genies keine Kontrolle mehr über das Chaos.«
»Ich koche uns einen Kaffee. Ich glaube, den haben wir uns jetzt wirklich verdient.«
10.06.2010; Donnerstag; 16:15 Uhr/MEZ; Kiel-Molfsee; Sauna
Simon hatte den ersten Saunagang schon hinter sich, als Markus ihn im Schwimmbecken seine Runden drehen sah. Fast hätte er die Verabredung mit seinem Freund versäumt, wenn ihm nicht der Zufall zu Hilfe gekommen wäre. Er öffnete den Kofferraum, um einen Karton mit Papieren darin zu verstauen. Dabei fiel sein Blick auf die von Birte gepackte Saunatasche mit der Haftnotiz SAUNA! daran.
Birte war ein Schatz, noch gestern Abend hatte sie ihn daran erinnert, und dennoch hätte er es vergessen. Er hatte einfach zu viel um die Ohren, weshalb Birte immer darauf achtete, dass er zumindest einmal im Monat ein wenig Abstand vom hektischen Alltag beim Saunabesuch fand.
Markus bewunderte seinen langjährigen Freund und Kollegen Simon Büttner, weil dieser die Gelassenheit in Person war, obwohl sein Job als Chemiker sicherlich auch mit Stress und Hektik verbunden war. Simon hatte aber auch keine Familie, musste sich nur um sich selbst und seine gelegentlichen Freundinnen kümmern. Markus warf das Handtuch auf die am Beckenrand stehende Liege und stieg ins warme Wasser. Simon lächelte ihm stumm zu und schwamm weiter seine Runden – Markus neben ihm her. »Bist du sauer, dass ich so spät bin?«
»Nein, wieso spät? Ich bin doch schon froh, wenn du überhaupt an unseren Termin denkst und kommst, ob eine Stunde später oder früher ist doch egal. Wir
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