ZEITLOS (German Edition)
Birte noch auf und sie konnten noch eine halbe Stunde auf der Terrasse sitzen. Das wäre ein schöner Abschluss dieses Tages. Er malte sich die Szene im Geiste aus: Sie saßen zu zweit bei Kerzenschein und einem Glas guten Wein zusammen. Birte hatte in seiner Vorstellung den Sitzplatz mit allerlei Windlichtern dekoriert. Er fühlte sich wohl bei diesen Gedanken. Was war er doch für ein Glückspilz: Er war Vater von zwei wohlgeratenen Kindern, besaß ein schönes Eigenheim, führte eine harmonische Ehe, hatte einen guten Job und gute Freunde, im Gegensatz zu all den anderen Schwierigkeiten sehr vieler Menschen. Gerade überquerte er den Kanal und konnte nun auf der Ausbaustrecke nach Gettorf ein wenig schneller fahren. In einer Viertelstunde würde er zuhause sein.
Und er hatte Glück, als er ins Carport fuhr und den Motor abschaltete, sah er durch die Ritzen der Flechtwand, dass tatsächlich noch Kerzenlicht auf der Terrasse flackerte. Wie schön. Er schob die Schiebetür zum Garten auf. Birte räumte gerade einige Gläser vom Tisch. »Ach nein, bitte lass uns noch einen Augenblick hier draußen den Tag ausklingen lassen.«
Sie lächelte ihn an und erwiderte seinen Kuss. »Ich räume nur die benutzten Gläser und Teller von Eli und Hartmut weg. Sie waren auf einen kurzen Schwatz herübergekommen und sind vor einer Viertelstunde gegangen. Sie lassen dich grüßen. Hattet ihr es schön in der Sauna?«
»Es hat mir richtig gut getan, und um ein Haar hätte ich die Verabredung sogar vergessen. Zum Glück habe ich noch rechtzeitig die Tasche mit deinem Zettel im Kofferraum gesehen. Simon lässt dich grüßen, er hofft, dass er dich auch bald mal wieder persönlich zu sehen bekommt.«
»Danke, du kannst ihm sagen, dass er sich für Samstag in einer Woche einen Termin freihalten möchte. Dann, so habe ich es geplant, machen wir einen Grillabend mit einigen Freunden. Sag ihm, er soll gegen siebzehn Uhr herkommen, wenn er eine Freundin hat, soll er die mitbringen!«
Birte brachte aus der Küche einen kleinen Teller mit Käse und Weintrauben mit. Markus schickte sich an, in den Keller zu gehen, um Wein zu holen. »Machen wir noch einen Barolo auf?«
»Ja, mach mal! Ich ziehe mir nur noch eine Strickjacke über.« Dann, als sie gemütlich nebeneinander auf dem Rattansofa saßen, ließ er sich von Birte berichten, was sie und die Kinder an diesem Tag erlebt hatten. Darüber wurde es schließlich Mitternacht und Birte begann wiederholt zu gähnen. »Ich glaub, ich muss ins Bett. Kommst du mit?«
»Ja, ich glaube du hast recht. Morgen muss ich mit dem Fakultätsleiter das neue Projekt besprechen, für das wir endlich die Fördergelder bewilligt bekommen haben.«
»Ach? Das hast du mir noch gar nicht erzählt. Das ist ja schön, aber eigentlich hattest du doch fest mit einer Zusage der Gelder gerechnet, oder?«
»Ja, das schon, aber letztlich weiß man nie, nach welchen Kriterien die Kommission ihre Gelder verteilt.«
Am darauf folgenden Dienstag geschah etwas, dessen wahre Bedeutung Markus erst viel später erfahren sollte. Er saß mit Nele in der Mensa beim Mittagessen. Sie war eine in seinen Augen ungewöhnliche Persönlichkeit. Obwohl sie recht attraktiv war und auf ihr Äußeres großen Wert zu legen schien, hatte er doch nie von ihr gehört, dass sie eine Beziehung unterhielt. Er wusste aus ihren Erzählungen, dass sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im Düsternbrooker Weg wohnte und davon, dass kein Tag verging, an dem sie nicht ihren kleinen Morgenlauf absolvierte.
Diese strenge Art von Disziplin war ihm fremd, besaß er doch jene Neugier und Spontaneität, die manchem seiner Kollegen suspekt erscheinen musste. Von Nele ging eine Ausstrahlung aus, die Markus nicht zu deuten wusste. Seit zwei Jahren arbeiteten sie nun zusammen und sie war wirklich tüchtig. Er hatte es nie bereut, sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin vorgeschlagen zu haben.
Heute wirkte sie jedoch anders als gewöhnlich. Ihre Bewegungen waren fahrig und sie schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. »Ist irgendwas? Du wirkst so aufgekratzt?« Sie schob ihren nur halb geleerten Teller von sich und schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. »Nein, nichts – es ist nichts, wirklich nicht!«
Sonderbar, woher wusste er, dass sie nicht die Wahrheit sagte? Aber, schließlich war das ihre Privatangelegenheit und ging ihn nichts an. Gerade wollte er das Gespräch auf das neue Projekt bringen als sie wieder zu sprechen begann: »Weißt
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