ZEITLOS (German Edition)
haben doch Zeit.«
»Du vielleicht, ich habe eigentlich nie Zeit.«
»Jaja, ich weiß, du brauchst mal wieder eine Tüte Mitleid? Du solltest dich mit modernem Zeitmanagement beschäftigen, damit entschleunigst du deinen Alltag.«
»Hast du diesen Begriff von Birte übernommen? Jedes zweite Wort von ihr heißt Entschleunigung. Es hat noch Chancen, zum Unwort des Jahres gewählt zu werden.« Markus drehte sich in Rückenlage und fühlte sich bereits deutlich entspannter. So erging es ihm immer, wenn sie sich hier in der großen Saunaanlage in Kiel-Molfsee trafen.
Die Ruhe und die Atmosphäre luden ihn regelmäßig mit Energie auf. Ohne die monatlichen Saunatreffen hätte er wohl auch deutlich weniger Kontakt mit Simon. »Machen wir gleich einen Durchgang, kommst du noch einmal mit rein?«
»Einmal? Sicherlich noch drei Mal bis heute Abend. Klar komme ich mit, ich wollte nur eine Runde Vorlauf vor dir haben, du bist ja schließlich nicht mehr der jüngste.«
»Wie komisch, deine fünf Jahre weniger sieht man dir leider trotzdem nicht an.« Schon hatten sie ihre gern gepflegte frotzelnde Art der leichten Unterhaltung gefunden. Das war das schöne an ihrer Freundschaft, da konnten sie herrlich blödeln und sich wie die kleinen Jungs aufführen, mussten keine Rollen ausfüllen und Erwartungen bedienen, die andere an sie stellten.
»Nehmen wir die Neunzig-Grad-Kabine?«
»Was sonst?« Sie traten ein, es war niemand anwesend, den sie mit ihrer Unterhaltung stören konnten. Simon verzog sich auf die oberste Liegeebene und räkelte sich auf seinem Saunatuch. Markus lagerte sich eine Stufe tiefer, so dass sie nebeneinander lagen. Das rhythmische Knacken des aufheizenden Saunaofens und die diffuse Beleuchtung ließen die Schwitzhütte unwirklich erscheinen. Ihre Augen mussten sich vom gleißenden Sonnenlicht draußen an diese Dunkelheit erst gewöhnen. Simon schwieg, atmete ruhig und flach. Markus fühlte sich noch immer unruhig, er brauchte Zeit, um die Hektik des Alltags abzustreifen, aber Simon war ja auch schon länger hier, hatte eine Runde Vorsprung.
»Wie war dein Tag?«, versuchte Markus schließlich eine Unterhaltung in Gang zu bringen, solange noch keine weiteren Besucher die Kabine vereinnahmten.
»KbV«
»Was?«
»Keine besonderen Vorkommnisse.«
»Lass dir bloß nicht immer jedes Wort aus der Nase ziehen, versuch doch einfach mal deine Gedanken auf den Sprechapparat zu leiten. Sollst sehen, das kann gelingen.«
»Bin eben nicht eine solche Quasselstrippe wie du.«
»Es gibt eben Leute, die haben etwas zu sagen und welche, die haben nichts zu sagen.«
»Oha, der Herr werden tiefsinnig.«
»Simon Büttner, du bist wirklich nicht bekannt dafür, zuviel zu reden. Du könntest hier und jetzt einmal eine kleine Ausnahme machen.«
»In der Ruhe liegt die Kraft, alter Freund. Ich lausche viel lieber dir, da kann ich soviel bei lernen.«
»Alter Raubsauger! Na schön, etwas Gutes ist daran – du fällst einem wenigstens nie ins Wort. Meine Güte, ich hatte heute reichlich Stress und Probleme, aber der Tag fing sehr gut an, weil wir die Fördergelder für das neue Projekt, Cluster-6, endlich genehmigt bekommen haben. Wir können also spätestens im Wintersemester damit beginnen. Nele weiß auch schon Bescheid und beschäftigt sich damit. Aber dann hätte ich heute doch beinahe meine zusammenfassenden Projektdaten vom Cluster-5, du weißt, diese Spektroskopie-Geschichte, eingebüßt. Hatte die Daten erst bei mir zuhause bearbeitet und gespeichert, dann bekam ich mit meinem Hausnetzwerk Probleme und hab die Daten auf eine DVD gezogen. Beim Übertragen auf den Uni-Server ist mir meine Bürokiste beinahe während der Übertragung abgestürzt, ging gerade noch einmal gut.«
»Wieso? Du hattest doch die Daten auf der DVD, was sollte passieren?«
»Die war auch nicht einwandfrei. Nele meinte, dass die mechanisch beschädigt sei. Naja, manchmal hilft einem das Glück. Es ging alles gut.«
»Also ich rede bei solchen Problemen mit meinem Computer, auch manchmal mit meinem Drucker, dann geht es meistens«, sagte Simon.
»Du?, das ist aber witzig.«
»Ja, im Ernst. Einige Leute in meiner Abteilung nennen mich deshalb den Magier , weil ich für Elektronik ein Händchen habe. Dabei kann ich gar nichts dafür, denn ich verstehe nicht viel davon, dafür haben wir ja unsere Netzwerk-Fuzzis an der Uni.«
»Ja, auch bei mir kamen die gleich und tauschten meine Datenstation aus. Ich bat unseren Administrator um
Weitere Kostenlose Bücher