Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
denkwürdige Gebilde noch grotesker wirken ließen, wie es so dahockte und selbstgefällig
    strahlte. Dann streiften wir den Park am Alexandra Gate, gingen zurück zum Albert Memorial und bogen Richtung Norden in den Lancaster Walk ab. Vor uns sah ich die flackernd unter der Kuppel hängenden Strahlen der Schwätzmaschine und vernahm das entfernte Wummern verstärkter Stimmen.
    Wallis nutzte unseren Marsch für einen Vortrag. Er war ein angenehmer Begleiter, und ich hatte immer mehr den Eindruck, daß er zu jenen Menschen gehörte, die ich – in einer anderen Zeit – möglicherweise als Freund bezeichnet hätte.
    Ich erinnerte mich an den Hyde Park als einen zivilisierten Ort: attraktiv und ruhig, mit seinen breiten Wegen und Baumgruppen. Einige dieser Merkmale existierten auch jetzt noch – ich erspähte die mit Grünspan bedeckte Kupferkuppel des Orchesters, wo ich einen walisischen Bergmannschor in verzerrter Harmonie
    Hymnen singen hörte – aber diese Version des Parks war ein Ort des Schattens, der nur dort, wo Laternen standen, von Lichtinseln unterbrochen wurde. Das Gras war verschwunden – ohne Zweifel durch den Ausschluß der Sonne abgestorben – und
    ein großer Teil der blanken Erde war mit Holzplatten kaschiert worden. Ich fragte Wallis, warum sie den Park nicht einfach in eine Betonwüste verwandelt hatten; er gab mir zu verstehen, daß die Londoner dem Glauben nachhingen, die häßliche
    Kuppel über ihrer Stadt könne eines Tages wieder sicher entsorgt werden und ihre Heimat wieder in alter Schönheit auferstehen – einschließlich der Parks.
    Ein Abschnitt des Parks, in der Nähe des Orchesters, war zu einer Art Feldlager mutiert. Da standen Hunderte von Zelten, die sich um schlichte Betonbauten
    drängten und als Gemeinschaftsküchen und Badehäuser erwiesen. Erwachsene,
    Kinder und Hunde schlichen auf dem trockenen, festgestampften Boden zwischen den Zelten umher und gingen ihren endlosen, freudlosen Verrichtungen nach.
    »Das arme alte London hat in den letzten Jahren eine Menge Flüchtlinge aufgenommen«, erläuterte Wallis. »Die Bevölkerungsdichte ist um einiges höher als früher... und trotzdem gibt es für jeden sinnvolle Arbeit zu tun. Natürlich leiden sie in diesen Zelten – aber sie können nirgendwo sonst untergebracht werden.«
    Wir verließen den Lancaster Walk und näherten uns dem Round Pond im Zentrum des Parks. Dieser Mittelpunkt war einmal ein attraktiver, freier Platz gewesen und hatte einen ungehinderten Blick auf den Kensington Palace gewährt. Der Teich existierte zwar noch, war jetzt aber eingezäunt; Wallis sagte mir, daß er als Was-serreservoir für die gewachsene Bevölkerung diente. Und der Palast war nur noch eine Ruine, offensichtlich ausgebombt und aufgegeben.
    Wir hielten an einem Stand, wo wir eine ziemlich warme Limonade serviert bekamen. Die Menschen wogten vorüber, manche auf Fahrrädern. In einer Ecke des Parks wurde gerade ein Fußballspiel ausgetragen, wobei die Tore durch aufgesta-pelte Gasmasken improvisiert wurden; ich vernahm sogar vereinzeltes Gelächter.
    Wallis erzählte mir, daß die Leute sich noch immer an der Speaker's Corner versammelten, um der Heilsarmee zuzuhören, der National Secular Society, der Ca-tholic Evidence Guild, der Liga gegen die Fünfte Kolonne (die einen Feldzug gegen Spione, Verräter und überhaupt jeden führte, der den Feind auf die eine oder andere Art unterstützte), etc.
    So fröhlich hatte ich die Menschen in dieser düsteren Zeit bisher noch nicht erlebt; abgesehen von den allgegenwärtigen Epauletten und Gasmasken – und dem
    toten Boden und diesem schrecklichen, dräuenden Dach über unseren Köpfen –
    hätte es sich hier um eine Feiertagsversammlung aus einer beliebigen Epoche handeln können, und ich wurde aufs neue von der Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes überwältigt.
    Die Schwätzmaschine
    Nördlich vom Round Pond waren einige Reihen schmutziger Klappstühle aufgestellt worden, damit die Leute sich die an das Dach über uns projizierten Nachrichten anschauen konnten. Die Stühle waren zum größten Teil besetzt; Wallis entrichtete dem Aufsichtspersonal einen Obolus – die Münzen waren Metallplätt-chen, viel kleiner als die Währung meiner Zeit – und wir ließen uns nieder und legten den Kopf in den Nacken.
    Unsere stummen Soldaten-Gouvernanten bezogen in unserer Nähe Position und
    beobachteten sowohl uns als auch die Menge.
    Staubige Lichtfinger stachen aus den Aldis-Lampen in

Weitere Kostenlose Bücher