Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Nebogipfel diagnostiziert hatte – eine Angst, die ich wohl mit vielen Menschen meiner Zeit teile. Und außerdem bin ich so ehrlich einzugestehen, daß ich ein ausgeprägtes Klassenbewußtsein besitze und infolgedessen kaum etwas mit den Werktätigen meiner Zeit zu schaffen hatte, und in meiner Ignoranz hatte ich leider eine gewisse Verachtung und Furcht entwickelt. Und all diese alptraumhaf-ten Fragmente werden hundertfach in meinen Reaktionen auf die Morlocks verstärkt! – Aber eine derart primitive Geisteshaltung ist weder meiner noch meines Volkes würdig und auch nicht Nebogipfels Angedenken. Ich bin entschlossen, diese innere Dunkelheit abzustreifen und die Morlocks nicht als Monster oder Untermenschen, sondern als potentielle Nebogipfel zu betrachten.
    Dies ist eine reiche Welt, und es besteht kein Grund für die Nachfahren der
    Menschheit, sich in dieser garstigen Weise, die sie kultiviert haben, gegenseitig aufzufressen. Das Licht der Intelligenz glimmt nur noch trübe in dieser Historie: aber es ist noch nicht ganz erloschen. Die Eloi bewahren ihre Fragmente der
    menschlichen Sprache, und die Morlocks ihr evidentes technisches Verständnis.
    Ich träume davon, noch vor meinem Tod ein neues Feuer der Rationalität in diesem Zunder zu entfachen.
    Ich weiß, daß ich kein Messias bin – wenn mich die schlichten Eloi auch vielleicht für einen gehalten hatten, als ich in einem Hagelsturm zum erstenmal hier erschienen war! Es bedurfte großer Anstrengungen und des Ablegens alter Vor-stellungsmuster, das Wesen der Dinge in dieser Welt auch nur zu begreifen; und als es mir schließlich gelungen war, bestand meine erste Reaktion in selbstsüchtiger, panischer Angst. Und ich bin nicht so vermessen zu glauben, daß ich an einem Tag das Schicksal zweier Spezies ändern könnte. Die ganze wissenschaftliche
    Ausbildung, die ich genossen hatte – dieses jahrtausendelange Lernen und Studieren, das hinter mir lag –, hatte mir damals nichts Nützlicheres als eine Schachtel Streichhölzer bereitgestellt!
    Nichtsdestoweniger träume ich davon, mit meinen Handlungen und Unterwei—
    sungen jetzt ein neues Streichholz anzuzünden – daß ich wieder das helle Licht des Bewußtseins in den verdunkelten Köpfen dieser feindlichen Völker zum Leuchten bringe. Ich träume davon, daß die Bewohner dieser Erde sich regenerieren und eine Zukunft schaffen, die sich an Noblesse mit allen Zweigen der in der Multiplizität verstreuten Menschheit messen kann.
    Ja! – das ist ein nobler Traum – und ein edles Vermächtnis.
    Ich habe diese Papiere bei der Erkundung einer Gruft tief unter dem Grünen Porzellanpalast gefunden. Die Seiten waren vakuumverpackt konserviert worden. Es war ziemlich einfach für mich, aus Metallteilen eine Feder und aus Pflanzensäften Tinte herzustellen. Zum Schreiben gehe ich immer zu meiner Bank aus gelbem
    Metall, die sich auf dem Grat von Richmond Hill befindet, keine Meile von meinem Zuhause entfernt. Und dabei genieße ich die Gesellschaft des Themsetals: dieses liebliche Land, dessen Evolution ich über ganze Erdzeitalter mitverfolgt habe.
    Der Zeitreise habe ich entsagt – schon seit langem –, vielmehr, wie bereits er-wähnt, habe ich meine Maschine abgewrackt und aus ihren Komponenten Hacken
    und andere Utensilien gefertigt, die sinnvoller sind als eine Zeitmaschine. (Die beiden Steuerungshebel habe ich indessen behalten – sie liegen neben mir auf der Bank, jetzt, während ich dies schreibe.) Ich bin wohl ganz zufrieden mit meinen hiesigen Projekten; aber die Tatsache, daß ich keine Möglichkeit habe, meinen Zeitgenossen des ausgehenden 19. Jahrhunderts von meinen Entdeckungen und
    Beobachtungen sowie den anderen Abenteuer zu berichten – vielleicht ist das auch nur meine Eitelkeit! – wurmt mich. Aber jetzt geben mir diese Seiten ja die Gelegenheit, das zu korrigieren.
    Um dieses empfindliche Papier vor dem Zerfall zu bewahren, werde ich es wieder in der Originalverpackung versiegeln und das Ganze dann in einem Behälter deponieren, den ich aus den mit Plattnerit angereicherten Komponenten der Zeitmaschine gefertigt habe. Danach werde ich den Behälter so tief wie möglich vergraben.
    Ich verfüge über keine sichere Möglichkeit, meinen Bericht entweder in die Zukunft oder in die Vergangenheit zu transferieren – ganz zu schweigen von einer anderen Historie – und deswegen kann es gut sein, daß diese Aufzeichnungen im Boden vermodern werden. Aber ich glaube, daß mein Paket wegen der

Weitere Kostenlose Bücher