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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hatte! Eine theoretische Struktur zu finden, anhand derer sich die Dinge erklären ließen, war für mich genauso wichtig, wie ein Ertrinkender darauf angewiesen war, festen Boden unter die Füße zu bekommen; ich konnte mir indessen noch immer nicht vorstellen, welchen praktischen Nutzen das alles für uns haben sollte.
    Da wurde plötzlich die Tür des Raucherzimmers aufgerissen, und Filby kam her-eingestürzt. Es war noch keine neun Uhr; Filby war ungewaschen und unrasiert, und ein abgetragener Morgenrock umhüllte seine Gestalt. »Ihr habt einen Besucher«, teilte er mir mit. »Dieser avisierte Kamerad vom Luftfahrtministerium...«
    Ich schob den Stuhl zurück und stand auf. Nebogipfel widmete sich wieder seinen Studien, und Moses schaute mit seinem noch immer wirren Schopf zu mir hoch.
    Ich betrachtete ihn mit einer gewissen Besorgnis; ich erkannte allmählich, daß ihm diese Versetzung in eine andere Zeit schwer zu schaffen machte. »Schau«, wandte ich mich an ihn, »es scheint, daß ich jetzt gehen muß. Warum kommst du nicht mit mir? Ich könnte dich als Berater gebrauchen.«
    Er lächelte freudlos. »Was ich weiß, weißt du auch«, meinte er. »Du brauchst mich nicht.«
    »Aber ich hätte gerne deine Gesellschaft... Dies ist deine Welt, oder zumindest annähernd; du könntest sogar lange genug leben, um sie zu sehen. Meinst du nicht auch, daß du dich besser fühlen würdest, wenn du dir einen Ruck gäbst?«
    Moses' Augen lagen tief in ihren Höhlen, und ich glaubte in ihnen eine Sehnsucht nach seiner eigenen Zeit zu erkennen, die auch in mir brannte. »Heute nicht. Ein andermal... vielleicht morgen.« Er nickte mir zu. »Paß auf dich auf.«
    Ich wußte nicht, was ich darauf hätte sagen können.
    Ich ließ mich von Filby in die Halle führen. Der an der offenen Haustür auf uns wartende Mann war groß und schlaksig, mit wirrem, ergrauenden Haar. Ein Soldat stand hinter ihm auf der Straße.
    Als der große Mann mich erblickte, trat er mit einer jungenhaften Tolpatschigkeit vor, die gar nicht zu einer solchen Statur paßte. Er begrüßte mich mit meinem Namen und schüttelte mir heftig die Hand; er hatte kräftige, ziemlich verwitterte Hände, und ich erkannte, daß er ein Praktiker war – vielleicht ein Mann nach meinem Herzen! »Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen – hocherfreut«, versicherte er mir. »Ich bin ein Mitarbeiter des DZvK – Direktorat für Zeitverschiebungs-Kriegsführung – des Luftfahrtministeriums.« Er hatte eine gerade Nase, ein schmales Gesicht und einen offenen Blick hinter einer Brille mit Drahtgestell. Er war offensichtlich ein Zivilist, denn unter den unvermeidlichen Epauletten und dem Behälter mit der Gasmaske trug er einen schlichten, ziemlich abgetragenen Anzug, mit einer gestreiften Krawatte über einem gelblichen Hemd. Am Revers
    hatte er eine Marke mit einer Nummer. Er war etwa fünfzig Jahre alt.
    »Sehr erfreut«, meinte ich. »Obwohl Ihr Gesicht mir leider nicht bekannt vorkommt...«
    »Wie könnte es auch? Ich war gerade acht Jahre alt, als Ihr ZVF-Prototyp in die Zukunft aufbrach... verzeihen Sie! – ich wollte sagen, das ›Zeitverschiebungs-Fahrzeug‹. Vielleicht gelingt es Ihnen irgendwann, sich alle diese Akronyme zu merken – oder auch nicht! Ich habe es jedenfalls nicht geschafft; und es heißt, daß selbst Lord Beaverbrook nur mit Mühe alle Direktorate zusammenbekommt, die
    seinem Ministerium unterstehen.
    Ich bin kein Prominenter – nicht halb so bekannt wie Sie! Bis vor kurzem habe ich in der glorreichen Position eines Stellvertretenden Chefkonstrukteurs bei der Vickers-Armstrong Company gearbeitet, im Weybridge-Bunker. Als man meine
    Überlegungen zur Temporalen Kriegsführung höherenorts zur Kenntnis nahm,
    wurde ich zum Hauptquartier des DZvK hier im Imperial abgestellt. Sehen Sie«, meinte er aufrichtig, »ich freue mich wirklich, daß Sie hier sind – es ist ein echter Glücksfall, der Sie hierher geführt hat. Ich glaube nämlich, daß wir – Sie und ich –
    eine Partnerschaft schließen könnten, welche die Geschichte verändert – die diesen verdammten Krieg ein für allemal beendet!«
    Ich konnte mich eines Schauders nicht erwehren, denn ich war der Ansicht, die Geschichte bereits genug manipuliert zu haben. Und dieses ganze Gerede von
    Temporaler Kriegsführung – der Gedanke, daß meine Zeitmaschine, die schon
    soviel Unheil angerichtet hatte, wissentlich für destruktive Aufgaben eingesetzt wurde! – diese Vorstellung

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