Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
Geräusch zu beenden.
»Aufhören!«, übertönt plötzlich die Stimme des jungen James das Schreien. »Ich bin hier! Und ich komme jetzt rein!«
Marina
Ich sacke zusammen und würde wahrscheinlich vom Stuhl rutschen, wenn ich nicht daran gefesselt wäre. Mein Körper vibriert noch im Nachhall des Schocks, wie eine Stimmgabel, die jemand an die Tischkante geschlagen hat.
»M, bist du okay?«, fragt Finn von seinem Stuhl, die Augen noch immer fest geschlossen.
»Schsch …« Ich will nicht, dass er die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Es ist besser, wenn er ruhig ist.
Meine Augen tränen, und ich kann nur verschwommen sehen, deshalb ist der Junge, der ins Wohnzimmer tritt, auch nur ein undeutlicher Fleck für mich. Doch selbst dieser Anblick weckt Erleichterung in mir.
James. Mein James. Ich würde ihn auch mit geschlossenen Augen erkennen.
»Stopp!«, sagt der ältere Finn. Er reißt die Hand hoch, über das Gesicht des jüngeren James. »Schau nicht hin!«
Doch die beiden James starren einander an – mein James strahlend und schön und der andere James wie seine Reflexion in einem staubigen, gesprungenen Spiegel.
Der ältere James lächelt. »Schon gut. Das Universum wird nicht explodieren.«
Finns Gesicht erschlafft. »Was?«
»Sich selbst gegenüberzutreten ist keine größere Paradoxie als alles andere, was man in der Vergangenheit tut«, sagt mein James. »Er hat dich angelogen.«
»Ich dachte, das würde mir einen Vorteil verschaffen, falls ihr beiden jemals in die Vergangenheit kämt, um mich zu jagen.« Wieder lächelt der ältere James. »Schließlich waren wir drei damals unzertrennlich.«
Mein James macht einen Schritt weiter in den Raum, auf sich selbst zu. »Bitte tu ihnen nichts. Lass sie gehen.«
»Das kann ich nicht machen. Sie versuchen, uns umzubringen.«
»Nur die beiden aus deiner Zeit! Mach mit ihnen, was du willst, wenn es sein muss, aber Marina …«
»Marina hat versucht, uns aufzuhalten, bei jedem Schritt und auf jede denkbare Weise, immer und immer wieder. Dieses Mädchen hier« – er legt mir die Hand auf den Scheitel – »wird nicht aufhören, bis wir tot sind.«
»Bitte!«, sagt mein James. Mir dreht sich der Kopf, während ich ihm dabei zusehe, wie er mit sich selbst streitet. »Ich will nicht, dass sie verletzt wird. Und das heißt, dass es dir irgendwo tief drinnen genauso gehen muss.«
»Du wirst lernen, dass sich Dinge ändern. Und wenn ihr jetzt mit diesen armseligen Versuchen aufhören könntet, mich abzulenken« – er wird lauter – » während sich Em durch die Hintertür schleicht , wäre mir das sehr recht! Meinst du, ich wüsste nicht ganz genau, was du ihr in dieser Situation raten würdest?«
Der Gesichtsausdruck des älteren Finn ist grimmig. »Ich schätze, deshalb bist du das Genie und nicht ich.«
»Em«, ruft James, »ich schwöre bei Gott, wenn du nicht sofort herkommst, dann tue ich etwas, das du bereuen wirst!«
Stille. Ich zittere. Ich will nicht wissen, wer Em ist. Eine unmögliche Idee nimmt in meinem Kopf Gestalt an, aber ich bin nicht in der Lage, diesen Gedanken zu Ende zu führen.
Der ältere James beugt den Kopf. Er wirkt ehrlich enttäuscht. »Wie du willst.«
»Neiiiin …«, schluchze ich. Ich warte auf den elektrischen Stoß aus dem Gerät, der mein Blut erneut zum Kochen bringen wird. Aber er kommt nicht. Ich öffne die Augen und sehe den älteren James neben mir knien. Seine Finger berühren meine, und eine Sekunde lang fühlt sich die tröstliche Wärme seiner Haut wie eine Umarmung an. Dann, mit einer raschen Bewegung, reißt er meinen kleinen Finger und den Ringfinger zurück, und ich höre ein widerliches Krachen. Der Schmerz trifft mich nur einen Augenblick später, und ich heule auf.
Mein Finn brüllt wilde Flüche, während der ältere auf mich zustürzt. Durch den Nebel des Schmerzes spüre ich Zacken aus Metall, die sich in meinen Hals drücken, und der ältere Finn erstarrt mitten in der Bewegung.
»Aufhören!«, schreit jemand. »Aufhören! Ich komme!«
Der Raum versinkt in stilles Warten, und nur meine erstickten Schluchzer durchbrechen das Schweigen. Ich kann nicht darüber nachdenken, wer kommt, kann nicht darüber nachdenken, dass diese Stimme so bekannt klingt. Mein Verstand, überladen mit Schmerz und Angst, beginnt, die Schotten dicht zu machen, als würde eine Tür zwischen mir und der Welt zufallen. Ich glaube, er versucht, mich zu schützen.
»Marina«, sagt jemand. »Mach die Augen zu.«
»Das muss
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