Zeltplatz Drachenloch
und eine Insel, und auf der Insel ein Haus.
Als Georg Schritte hinter sich hörte, drehte er schnell das Blatt um. Es war Immerfroh.
»Gefällt es dir eigentlich hier ?« fragte er beiläufig, »oder hast du es dir schöner vorgestellt?«
»Ich bin sehr gerne hier, obwohl ich es mir schon anders vorgestellt habe .«
»Also doch schöner?«
»Nein, nur anders.«
»Wie denn ?« wollte Immerfroh wissen.
»Eigentlich leichter. Ich meine, es ist schon schön, aber ich dachte, wir würden nur Spazierengehen oder im Gras liegen oder spielen. Und jetzt ist es wirklich wie ein kleines Dorf. Man muß es bewachen und Essen heranholen und kochen und sehen, daß es sauber bleibt .«
»Mit einem Wort, dir ist aufgegangen, daß man auch eine Verantwortung übernehmen muß«, stellte Immerfroh schmunzelnd fest.
»Ja, so hätte ich es eigentlich sagen wollen.«
»Und was wäre nun schöner? So, wie es ist, oder so, wie du es dir vorgestellt hast?«
»Nein, so wie es ist, ist es schon schöner«, sagte Georg mit Nachdruck.
Immerfroh legte sich nun auf den Rücken und verschränkte die Hände im Nacken. »Wenn alle so denken wie du«, sagte er, »dann sind wir doch nicht umsonst hierhergekommen .«
Beim Mittagessen fragte Immerfroh die versammelte Gemeinschaft: »Wer fährt mit mir nächstes Jahr wieder nach St. Georgen ?«
Da hoben alle die Hände. Alle wollten wieder mit dabeisein .
Immerfroh lachte. »Macht lieber Pläne für die Wochen, die wir heuer noch hier sind! Ihr könnt so viel tun. Und ihr wißt noch gar nicht, was wir alles hier erleben werden .« Immerfroh hatte das ganz heiter gesagt. Denn auch er wußte nicht, was seinen Buben und ihm, was allen St. Georgenem und allen Bewohnern des Istertales noch bevorstand.
Am nächsten Morgen erschien Pfarrer Korntheuer wieder einmal im Lager. Er hatte sein Arbeitsgewand an, den breitrandigen Strohhut auf und war etwas unruhig.
Er ging zuerst zu Immerfroh ins Zelt und sprach dort mit ihm. Als er mit Immerfroh heraustrat, waren die Buben bereits um den Frühstückstisch versammelt.
»Buben«, sagte der Pfarrer, »heute möchte ich einmal von euch etwas. Ich brauche Arbeiter. Das Wetter wird nicht mehr lange so bleiben, und unten auf den Isterwiesen liegt das Heu. Die Wiesen gehören nicht mir. Aber es sind ein paar Wiesen darunter, die alten Frauen gehören. Wer will ihnen helfen ?«
Natürlich waren alle dabei.
»Das ist fein«, sagte der Pfarrer. »Morgens werden wir noch auf den letzten Wiesen das Heu wenden, und nachmittags müssen wir es einfahren .«
So schnell hatten sie das Frühstück noch nie gegessen. Willi blieb mit Flocki allein im Lager zurück, Gine sollte kommen und ihm bei der Wache beistehen.
Vor der Schule trafen sie Gine und Kam. Gine rannte sofort ins Lager, während Kam fragte, ob sie auch mithelfen könnte.
»Kommen Sie nur«, sagte der Pfarrer, »heute können wir jede Hand brauchen .«
Auf dem Feldweg zu den Isterwiesen zeigte der Pfarrer zu den Bergen. Sie wirkten heute viel näher als sonst. Es war ein wunderschöner, klarer Morgen.
»Da habt ihr es«, sagte Korntheuer, »das scheinheilige Getue! Sollte mich nicht wundern, wenn wir heute noch ein ordentliches Gewitter erleben .«
Auf der Wiese wartete bereits ein Wagen mit Rechen und Heugabeln. Korntheuer teilte sie aus.
Auf einem Wiesenstrich konnte das Heu bereits zusammengeholt werden. Weiter unten am Fluß mußte es vorsichtshalber noch einmal gewendet werden. Der Pfarrer machte jeden Handgriff vor und schickte die Buben an die Arbeit.
»Zeigt, was ihr könnt !« rief er.
Ringsum auf den großen Flußwiesen waren bereits viele Bauern an der Arbeit. Von einigen Wiesen fuhren schon hochbeladene, schwankende Heuwagen dorfwärts .
Gegen zehn Uhr kam ein kleines Mädchen und brachte Apfelmost zu trinken. Etwas später fuhr die Bäuerin mit dem Wagen auf die Wiese, wo Immerfroh arbeitete. Immerfroh begann nun, das Heu mit der Gabel auf den Wagen zu werfen. Dort verteilte es die Bäuerin fachkundig, denn der Wagen durfte nicht einseitig beladen werden. Das Mädchen aber, das den Most gebracht hatte, spannte die Pferde aus und führte sie auf den Hof zurück, um einen zweiten Wagen zu bringen. So konnte man Zeit sparen. Kurz nach Mittag war das Heu von der ersten Wiese eingefahren.
Über den Himmel zogen sich milchige Schleier, und hinter den Bergen stiegen große, dicke, weiße Wolkenburgen auf. Ein schwüler Wind setzte ein, der nur wenig Abkühlung brachte.
Kam hatte bereits
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