Zentauren-Fahrt
Wörter. Dafür mußte ihm Cherie Zentaur eigentlich eine SUPER-NOTE geben!
»Gut, Buchstabiene«, sagte er. »Du hast deinen Teil geleistet. Jetzt bist du frei und kannst mit deinen Buchstaben davonfliegen.« Er öffnete das Fenster, und die Biene summte mit einem glückl i chen »SSSSSSSS!« davon.
»Jetzt muß ich ihn meiner geliebten Lehrerin abliefern«, sagte er bei sich. »Mögen Flöhe ihr Fell zerpieksen! Wie kann ich das nur tun, ohne daß sie mir gleich noch mehr Hausaufgaben au f brummt?« Denn wie alle Schüler wußte auch er, daß der Unterricht weniger dazu diente, jungen Menschen gute Dinge beizubringen, als dazu, ihre Zeit auf unangenehme Weise auszufüllen. Erwachs e ne lebten in der Vorstellung, daß Jugendliche leiden müßten. Erst wenn sie genug gelitten hatten, wenn ihre natürliche Freude und ihre Unschuld zum größten Teil verschwunden waren, waren sie gesetzt genug geworden, um als reif zu gelten. Ein Erwachsener war im Prinzip nichts als ein eingebrochenes Kind.
»Fragst du mich?« wollte der Fußboden wissen.
Unbelebte Gegenstände waren selten besonders schlau, deshalb hatte er auch keinen von ihnen beim Buchstabieren um Hilfe geb e ten. »Nein, ich führe nur Selbstgespräche.«
»Gut. Dann brauche ich dir ja auch nicht zu raten, dir eine P a pierwespe zu holen.«
»Die könnte ich sowieso nicht fangen, die würde mich stechen.«
»Du brauchst sie gar nicht zu fangen. Sie sitzt unter mir in der Falle. Diese Blödhummel ist letzte Nacht hier hereingestolpert und findet den Ausgang nicht mehr. Ist ziemlich dunkel da unten.«
Das war aber wirklich eine gute Nachricht. »Sag ihr, daß ich sie rauslasse, wenn sie ein Blatt Papier für mich befördert.«
Murmelnd unterhielt sich der Fußboden mit der Wespe. »Ein fa i rer Stich, meint sie.«
»Prima. Sag ihr, wo eine Ritze zu finden ist, die groß genug ist, daß sie ins Zimmer fliegen kann.«
Kurz darauf erschien die Wespe. Sie war recht groß, besaß eine schlanke Taille und war von einer hübschen, rötlichbraunen Farbe: ein attraktives Weibchen ihrer Art, das lediglich von Staubflocken auf den Flügeln in seiner Schönheit beeinträchtigt wurde. »WWWWWWWW?« summte sie und ließ den Staub davonstieben, bis sie wieder vollends hübsch war.
Dor reichte ihr das Blatt Papier und öffnete erneut das Fenster. »Bring das hier zu Cherie Zentaur. Danach bist du frei.«
Die Wespe hielt das Papier fest, verharrte aber noch auf dem Fenstersims. »WWWWWWWW?« fragte sie erneut.
Dor verstand keine Wespensprache, und sein Freund Grundy, der Golem, der sie hätte verstehen können, war nicht da. Doch er konnte sich schon denken, woran die Wespe dachte. »Nein, ich würde dir nicht raten, Cherie zu stechen. Sie kann ihren Schweif herumwirbeln wie eine Peitsche, und sie verfehlt niemals eine Fli e ge.« Oder auch einen Hosenboden, fügte er im Geiste hinzu; wenn nämlich jemand töricht genug war, unverschämte Antworten zu geben, wenn er eigentlich etwas Bestimmtes tun sollte. Das hatte Dor am eigenen Leibe erfahren dürfen.
Mit zufriedenem Summen trug die Wespe das Papier hinaus. Dor wußte, daß sie es an Ort und Stelle abgeben würde. Wie die Buchstabiene mußte auch sie ihrem Wesen treu bleiben. Eine P a pierwespe war unfähig, ein Stück Papier falsch zu behandeln oder gar zu mißbrauchen.
Dor ging hinaus, um Irene Meldung zu erstatten. Er fand sie in einem Badeanzug an der Südseite des Schlosses, wo sie mit einer zufriedenen Seekuh herumschwamm und diese mit Seehafer fü t terte, den sie auf magische Weise am Ufer sprießen ließ. Als Zilch Dor erblickte, muhte sie, um Irene zu warnen.
»Hallo Dor – komm doch schwimmen!« rief Irene.
»In einem Graben voller Ungeheuer?« erwiderte er.
»Ich habe ein paar Hammereichen wachsen lassen, um die Ma u erblümchen abzustützen«, sagte sie. »Die Ungeheuer kommen daran nicht vorbei.«
Dor blickte genauer hin. Tatsächlich: Ein Grabenungeheuer schwamm gerade an der Abtrennung vorbei und hielt sich in sich e rer Entfernung von den Hammereichen. Als es ihnen an einem Punkt versehentlich zu nahe kam, bekam es mit einem sorgfältig geschwungenen Hammer eins übergebraten. An diesen Bäumen kam niemand vorbei!
Dennoch hielt es Dor für ratsam, auf Abstand zu halten. Er tra u te auch Zilch nicht so recht über den Weg. »Ich meinte eigentlich die Ungeheuer auf dieser Seite«, sagte er. »Ich bin nur gekommen, um zu melden, daß der Aufsatz fertig ist und sich bereits auf dem Weg zur
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