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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gewollt.
    So viel hatten wir gemeinsam.
    Ich ging zum Straßenrand und sah nur durch einen Tränenschleier. Am Wagen angekommen, zögerte ich und drehte mich dann um. Sie stand noch da. »Juliet«, sagte ich. »Danke.«
    Ich glaube, mein Wagen wusste schon lange vor mir, wo wir hinfuhren. Doch als ich in die Einfahrt des alten weißen Hauses einbog, in dem ich aufgewachsen war, mit den Kletterrosen und dem alten, verwitterten Spalier, das sie doch nie zu bändigen schien, da spürte ich, wie etwas in mir aufbrach. Das hier war der Ort, wo meine Fotoalben im Schrank lagen, wo ich wusste, wie der Müllschlucker funktionierte, wo ich in einem Schlafzimmer oben noch eine Zahnbürste, einen Pyjama und ein paar Sweatshirts verwahrte – nur für den Fall.
    Das war mein Heim, und das waren meine Eltern.
    Es war inzwischen dunkel geworden, fast neun Uhr. Meine Mutter würde ihren alten Bademantel und Haussocken tragen und ihre allabendliche Portion Eis vertilgen, und mein Vater würde durch die Fernsehkanäle zappen und sich über das Programm aufregen. Ich ließ mich zur Seitentür rein, die in meiner Kindheit nie abgeschlossen gewesen war. »Hi«, rief ich, damit niemand erschrak. »Ich bin’s nur.«
    Meine Mutter stand auf, als ich das Wohnzimmer betrat. »Marin!«, sagte sie und umarmte mich. »Was machst du denn hier?«
    »Ich war gerade in der Gegend.« Das war gelogen. Ich war sechzig Meilen gefahren, um hierherzukommen.
    »Aber ich dachte, du wärst mit diesem großen Prozess beschäftigt«, sagte mein Vater. »Wir haben dich auf CNN gesehen. Nancy Grace hat über dich berichtet …«
    Ich lächelte leicht. »Ich … ich wollte euch einfach nur sehen.«
    »Hast du Hunger?«, fragte meine Mutter. Sie hatte dreißig Sekunden gebraucht, mich das zu fragen – neuer Rekord.
    »Eigentlich nicht.«
    »Dann werde ich dir ein wenig Eis holen«, sagte meine Mutter. »Eis kann man immer vertragen.«
    Mein Vater klopfte neben sich auf die Couch, und ich zog meinen Mantel aus und ließ mich in die Polster sinken. Es waren nicht die, mit denen ich aufgewachsen war. Auf denen war ich so oft herumgesprungen, dass sie am Ende platt wie Pfannkuchen gewesen waren. Vor mehreren Jahren hatte meine Mutter die Möbel neu polstern lassen. Sie waren jetzt weicher. »Glaubst du, dass du gewinnen wirst?«, fragte mein Vater.
    »Ich weiß es nicht. Es ist noch nicht vorbei.«
    »Wie ist sie so?«
    »Wer?«
    »Diese O’Keefe.«
    Ich dachte erst gründlich nach, bevor ich darauf antwortete. »Sie tut, was sie für das Richtige hält«, sagte ich schließlich. »Ich denke, das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen.« Obwohl ich genau das getan habe , fügte ich im Geiste hinzu.
    Vielleicht musste man einen Ort erst verlassen, um ihn wirklich zu vermissen, um zu erkennen, wie sehr man ihn liebte. Meine Mutter setzte sich neben mich auf die Couch und reichte mir eine Schüssel Eis. »Ich bin gerade auf dem Pfefferminz-Schokolade-Trip«, sagte sie, und wir hoben unsere Löffel so synchron, als wären wir Zwillinge.
    Eltern sind die Menschen, von denen man herkommt. Sie sind die Menschen, die man sein will, wenn man groß ist.
    Ich saß zwischen meiner Mutter und meinem Vater und schaute mir fremde Leute im Fernsehen an, die ihre Shaker-Schaukelstühle und staubigen Gemälde, ihren alten Bierkrug und ihre Goldrubinglasschale den Experten vorstellten und zu hören bekamen, dass sie einen wahren Schatz besaßen, den sie selbst für nichts Besonderes gehalten hatten.

Amelia
    Ich recherchierte im Internet, aber nirgends war zu erfahren, was man trägt, wenn man als Zeuge vor Gericht erscheinen soll. Auf jeden Fall wollte ich, dass die Geschworenen mich nicht so schnell wieder vergaßen. Ich meine, bis jetzt hatten sie sich nur langweilige Ärzte anhören müssen; im Vergleich zu denen wollte ich herausstechen.
    Also tönte ich meine Haare nach, sodass sie in einem intensiveren Blau leuchteten. Ich zog ein knallrotes Sweatshirt an, meine lila Converse und meine Glücksjeans mit dem Loch am Knie; schließlich wollte ich nichts dem Zufall überlassen.
    Es war schon ziemlich schräg, aber selbst letzte Nacht hatten meine Eltern nicht im selben Bett geschlafen. Mom hat bei dir im Krankenhaus übernachtet, und Dad und ich sind wieder nach Hause gefahren. Guy Booker hatte vorgeschlagen, mich zur Verhandlung abzuholen, aber ich dachte, dass ich mich ruhig von meinem Vater fahren lassen und dabei so tun könnte, als wollte ich gar nicht dorthin. Guy und

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