Zerfleischt - Der ultimative Thriller
rufen. Etwas in ihr, das lange nicht aktiv war, war jetzt erwacht. Es spürte Gefahr. Es machte keinen Sinn, irgendjemanden oder irgendetwas auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen.
Sie schlüpfte in die Küche und drückte sich hilflos gegen den Kühlschrank.
Das Gleiche, lieber Gott, es war das Gleiche. Schränke waren ausgeleert worden, die Inhalte der Schubfächer auf dem Boden verteilt: Messer, Löffel, Gabeln. Behälter mit Mehl und Zucker waren ausgeschüttet worden. Auf der Küchenarbeitsfläche erkannte Susan blutige Handabdrücke. Die Wände sahen aus, als hätte man sie mit Messern aufgemeißelt.
Ein strenger Geruch von Urin lag in der Luft.
Jemand war hier drinnen durchgedreht und hatte dann vor Freude gepisst.
Susan bückte sich und schnappte sich ein Messer. Tränen flossen aus ihren Augen, Sabber füllte ihren Mund. In einem Augenwinkel spürte sie ein wildes Zucken. Schatten sprangen in ihrem Gehirn umher.
Sie hörte ein knarzendes Geräusch. Es kam aus dem Garten. Angespannt kroch Susan am Boden entlang und hinterließ im Mehl Fußabdrücke. Sie lehnte sich vorsichtig auf die Spüle, um durch das Küchenfenster in den Garten spähen zu können.
Vorsichtig, verrate dich nicht.
Sie sah die Büsche, dahinter den Gartenschuppen. Sie reckte ihren Hals. Da hing die Wäscheleine. Eine leichte Brise ließ die Betttücher flattern. Aber dieses Knarzen. Dieses ständige Knarzen. Es erinnerte sie an …
Sie reckte ihren Hals. Ihr Körper war schweißnass, die Bluse klebte an ihrem Rücken. Sie sah … sie sah Marge. Marge hing dort an dem Eichenbaum. Susan sah es, wollte kreischen, schreien und noch mehr tun, aber zu diesem Zeitpunkt hatte etwas in ihr abgeschaltet.
Sie schaute nur.
Marge. Man hatte die arme, alte arthritische Marge an der Eiche aufgeknüpft wie einen gelynchten Banditen in einem alten Western. Sie war nackt, ihr Körper aufgedunsen und lila und zerschlagen. Marges Gesicht bestand aus einem einzigen geschwollenen blauen Fleck. Man konnte sie nur an ihrem feinen, silbergrauen Haar erkennen. Es sah aus, als wäre sie erschlagen worden. Mit Schlägern. Mit Brettern. Mit Hämmern. Es war schwer zu sagen. Ihre Glieder waren zerschmettert, zu unnatürlichen Winkeln verdreht.
Susan machte sich nicht die Mühe, nach Bill zu suchen.
Sie rannte jetzt nicht mehr, spurtete aber schnell wie ein gejagtes Tier zu den Lycheks nach nebenan. Sie waren ein Haufen Zeugen Jehovas, die auf die Bibel schworen und immer Prospekte und Flugblätter in jeden Briefkasten warfen: ANZEICHEN DER WIEDERKUNFT oder JESUS IST JETZT HIER AUF DER ERDE oder DU KANNST GOTTES FREUND SEIN! Keiner mochte die Lycheks. Sie glaubten nicht an Dinge wie Weihnachten oder Halloween. Sie sagten, das seien heidnische Feiertage. Die Kinder in der Nachbarschaft spielten ihnen am 31. Oktober immer einen Streich. Oh, was für schlimme Sachen sie immer anstellten.
Aber Susan war es egal, woran die Lycheks glaubten oder woran sie nicht glaubten. Denn sie konnte sich in diesem Moment, da die Welt für sie an Stabilität und Fokus verlor, selbst nicht mehr sicher sein, woran sie glaubte.
Sie bemühte sich nicht anzuklopfen. Sie trat einfach ein, fuchtelte mit ihrem Messer herum und wartete auf den Angriff, der nicht stattfand. Sie konnte Blut, Scheiße, Pisse und schlimmere Sachen riechen. Das Wohnzimmer war verwüstet. Gebundene Ausgaben des Wachturms , Erwachet! und Unser Königreichsdienst waren aus den Bücherregalen geschmissen und Seiten in rasender Wut herausgerissen worden. Sie lagen überall wie heruntergefallene Herbstblätter zusammen mit Dutzenden von Prospekten, die gegen fortschrittliche Ideen wie Evolution oder die Trennung von Kirche und Staat predigten. Dann hatte jemand über alles geschissen. Und bei der Menge an Kot, die man auf diese Seiten gehäuft und geschmiert hatte, waren es wahrscheinlich einige Leute gewesen. Susan hatte sofort ein wahnwitziges Szenario vor Augen, in dem ein Haufen Verrückter hineinkam, die Bücher auseinanderriss und dann die Hosen herunterließ, sich hinhockte und glücklich zusammen kackte.
Es war lächerlich.
Aber sie befürchtete, dass es nicht weit von der Wahrheit entfernt war.
Offensichtlich hatten sie auch die Magazinseiten als Klopapier benutzt, was wahrscheinlich der konstruktivste Gebrauch war, für den sie jemals verwendet worden waren, beschloss sie.
Klopf, klopf, klopf.
Sie ging in die Hocke. Das Messer zitterte in ihrer Hand. Dieses Klopfen. Was war das jetzt? Es kam
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