Zero Unit
dir etwa Sorgen wegen meiner psychischen Verfassung?«
»Verflucht, ja. Ich muss am Leben bleiben. Frisch verheiratet und so, du erinnerst dich?«
»Wie könnte ich das vergessen«, murmelte Alex spöttisch. Trotz der todernsten Lage war Kick erbarmungslos gut gelaunt, seit er unter der Haube war. Nicht dass Alex das seinem Freund missgönnt hätte. Im Gegenteil war er froh darüber, dass wenigstens einer von ihnen beiden sein Glück gefunden hatte.
Alex ließ den Motor aufheulen. »Und Kick, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, in dieser Stadt fahren alle wie die Irren, verdammt. Also vertrau mir – ich falle da gar nicht weiter auf.«
In letzter Sekunde war Gregg van Halen hinter Gina Cappozi in den U-Bahn-Wagen geschlüpft. Damit sie nicht schnell wieder aussteigen konnte, kurz bevor sich die Türen schlossen.
Aber das hatte sie nicht getan. Hatte es nicht einmal versucht.
Keine große Überraschung. Letzte Woche war sie aus ihrem nördlich von New York verbrachten Genesungsaufenthalt zurück nach Manhattan gekommen, und seither hatte seine ehemalige Geliebte nie etwas unternommen, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. Oder der in den Schatten lauernden Bedrohung zu entkommen, die es auf sie abgesehen hatte.
Fast so, als wollte sie ihn herausfordern. Oder das Schicksal. Ab und zu musterte sie mit leerem Blick ihre Umgebung, aber sonst deutete nichts darauf hin, dass sie in ständiger Angst lebte.
Obwohl die STORM -Agenten Gina wachsam beobachteten, gelang es Gregg, sich unbemerkt in die Pendlerhorde einzureihen, die es nach Hause drängte. Als die Schiebetüren zuknallten und die Bahn laut klappernd und quietschend anfuhr, langte er wie zufällig nach der Haltestange in der Mitte des Waggons und lauschte dem unverkennbaren Geräusch der New Yorker U-Bahn.
Gina wandte er den Rücken zu. Er musste sie nicht direkt ansehen. Eigentlich war es ihm sogar lieber, ihr flackerndes Spiegelbild im schmutzigen Wagenfenster zu betrachten. Denn so lief er nicht Gefahr, dass die Wut in seinem Gesicht ihn verriet.
Während Gina sich an einer der oberen Haltestangen festhielt, huschten ihre dunkelgrünen Augen umher, musterten jeden einzelnen Mitfahrer. Ihr Blick war unruhig. Immer auf der Suche.
Nach ihm.
Am liebsten hätte er ein düsteres Lächeln aufgesetzt. Wie schön, ein so begehrter Mann zu sein.
Sie würde ihn jedoch niemals entdecken. Sie würde nur einen Mann sehen – einen großen Mann. Aber nicht ihn , Gregg van Halen. Er würde entscheiden, wann er sich ihr zu erkennen geben würde. Wahrscheinlich noch nicht jetzt. Solange diese STORM -Witzfiguren jeden ihrer Schritte überwachten. Wenn es sein musste, konnte er durchaus geduldig sein.
Nachdem er so viel Zeit seines Lebens in einer Art Schattenwelt verbracht hatte, fiel es ihm leicht, sich unsichtbar zu machen. Selbst am helllichten Tag verbarg er sich im Dunkel, als wäre er dort zu Hause. Wie ein Geist.
Ein Phantom.
Seine Mundwinkel zuckten. Welch treffende Beschreibung. Denn sie kam den Tatsachen viel näher als seine Jobbeschreibung.
Die Dunkelheit selbst zog ihn magisch an. Lockte ihn. Auch jetzt winkte sie ihm aus der pechschwarzen Leere hinter dem stroboskopartig flackernden U-Bahn-Fenster zu, in dem er sein eigenes Spiegelbild erblickte. Und das seiner Frau.
Leider konnte er ihrem Ruf nicht folgen. Bevor er in die tröstlich schützende Anonymität zurückfallen konnte, musste er erst noch etwas erledigen. Musste den unbändigen Zorn in seinem Herzen stillen. Und sich um diese Frau kümmern. Seine Geliebte.
Die von der Scheibe zurückgeworfenen Standbilder schienen einem Film noir entsprungen zu sein. Sorgfältig hielt er nach Anzeichen des Wiedererkennens Ausschau. Oder der Panik. Aber er sah nichts dergleichen.
Er hingegen spürte ihre Nähe, sie löste ein Ziehen in der Brust aus, das selbst die dort brodelnde Wut durchdrang. Es weckte den unwiderstehlichen Drang in ihm, Hand an sie zu legen. Dieses Bedürfnis war derartig übermächtig, dass er beinahe die Kontrolle verloren hätte.
Er kannte diese Frau. Wie kein anderer. Ihren Körper und ihre tief verborgenen Ängste. War tief in sie eingedrungen und hatte gefühlt, wie sie vor Wonne bebte. Wusste, wie es sich anfühlte, wenn sie ihm vollständig ausgeliefert war und angesichts seiner Macht erschauerte.
Und er wollte sie wieder beben und erschauern sehen.
Aber das würde sie niemals zulassen. Nie wieder würde sie ihn an sich heranlassen, wie sie es früher getan
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