Zerrissenes Herz (German Edition)
etwas Universelles, das jeder verstand.
In jenem Moment hatte sie die Macht der Fotografie verstanden. Heute wünschte Daisy sich oft mehr Zeit, um mit ihrer Kamera wahre Kunst herzustellen, aber sogar bildende Künstler – und deren kleine Söhne – mussten essen. Für eine alleinstehende Mutter stach ein geregeltes Einkommen jede hohe Kunst aus. Und die Snobs unter den Fotografen schienen eine Tatsache zu vergessen: Inmitten einer Hochzeit boten sich unzählige Gelegenheiten, einen überirdischen Moment zu finden. Ein guter Fotograf wusste einfach, wo man Ausschau hielt und wie man diese Momente einfing. Auf einer Hochzeit waren die Menschen am echtesten. Die gleiche Geschichte spielte sich auf unendlich viele und verschiedene Weisen ab, und das war es, was Daisy faszinierte.
Sie war gefesselt von der geheimnisvollen Alchemie, die ein Paar zueinander zog und es veranlasste, gemeinsam die Reise durchs Leben anzutreten. Wenn sie richtig bedient wurde, konnteeine Kamera die Geschichte wieder und wieder erzählen, in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen.
Vielleicht lag es daran, dass Daisy es selber so gerne verstanden hätte. Wenn sie die weltbeste Expertin im Einfangen der glücklichsten Augenblicke des Lebens wurde, dann kam sie vielleicht darauf, wie sie selbst das Glück finden konnte.
Die Hochzeit war nicht perfekt. Mitten in ihrer Ansprache versagte Andrea Hubbles Mutter die Stimme, und sie war in Tränen aufgelöst. Der Champagner ging schon nach einer Stunde zur Neige, und dem DJ brannte ein Lautsprecher durch. Eine der Brautjungfern bekam aufgrund einer Lebensmittelallergie einen Ausschlag. Der Fünfjährige, der die Ringe getragen hatte, wurde verzweifelt gesucht und schließlich schlafend unter einem der Banketttische gefunden.
Daisy wusste, dass innerhalb weniger Stunden nichts mehr davon wichtig sein würde. Als der DJ seine Anlage abbaute und die Arbeiter die Tische auseinandernahmen, entschwand das überglückliche Pärchen in die Nacht in Richtung Summer Hideaway, der am einsamsten gelegenen Hütte des Resorts. Die letzte Aufnahme des Tages, erhellt vom Mond und von Daisys Lieblingsblitz, zeigte sie auf dem Weg zur Hütte. Der Bräutigam hob den Arm und wirbelte seine Braut im Kreis herum. Keine Frage, die Nacht wird für die beiden gut verlaufen, dachte Daisy und packte ihre Sachen mit einem rastlosen Seufzen ein.
Die Hochzeitsgäste hatten die anderen Unterkünfte von Camp Kioga in Beschlag genommen – alte Schlafbaracken, A-förmige Hütten oder luxuriöse Zimmer im Hauptgebäude.
Auf dem Heimweg öffnete Zach im Lieferwagen eine Bierdose, die er aus der Bar entwendet hatte, und hielt sie Daisy hin.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein danke. Hast du ganz für dich allein.“ Auch wenn sie jung war und gerade erst das College hinter sich hatte, war sie kein großer Freund von Alkohol. Was vermutlich daran lag, dass der bei ihr nie zu etwas Gutem geführt hatte. Unter anderem war Alkohol der Grund dafür, dass siemit neunzehn Mutter geworden war. Wenn Charlie sie jemals fragte, woher Babys kamen, würde sie einen Weg finden müssen, ihm zu erklären, dass zur Entstehung lediglich ein Übermaß an Bowle und ein ganzes Wochenende voller dummer Entscheidungen nötig waren.
„Dann trinke ich auf dich“, sagte Zach. „Und auf Mr und Mrs Glücklich-bis-ans-Lebensende. Mögen sie lange genug zusammenbleiben, um die Hochzeit abzubezahlen.“
„Sei nicht so zynisch!“, schalt Daisy ihn. Zach Alger hatte es bisher nicht leicht gehabt. Aber sie waren ein gutes Team. Er war mehr als nur ihr Assistent und Videograf. Er war eines ihrer liebsten – und widerwilligsten – Fotomodels, was an seinen starken, kantigen Gesichtszügen und seinem ungewöhnlich nordischen Teint lag. Er war so blass, dass er manchmal für einen Albino gehalten wurde. Er war total unsicher wegen seines weißblonden Haars, das die Farbe von anderen Quellen zu absorbieren schien. Daisy hatte es schon immer cool gefunden. Einige der Bilder, die sie von ihm gemacht hatte, waren für Werbezwecke gekauft worden. Offensichtlich war sein Look – der blasse Teint und die Winteraugen – in Japan und Südkorea sehr beliebt. Irgendwo im Fernen Osten verkaufte sein Gesicht Aftershave und Handyverträge.
Allerdings reichte das nicht, um seine Rechnungen zu bezahlen. Er war auch gerade erst mit dem College fertig und sehr begabt in allem, was mit Hightech und Medien zu tun hatte. Was sie jedoch am meisten an Zach mochte, war, dass
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