Zerwüteter Pakt (German Edition)
konnte nicht fassen, was ihr da gerade über die Lippen gekommen war. – Kein guter Gesprächseinstieg… Doch das wurde ihr erst bewusst, als sie ihren Satz bereits beendete. Er schwieg und setzte sich nachdenklich auf einen Stuhl. »Du lügst mir ins Gesicht!« »Das wollte ich nicht.« Gloria wusste, dass ihr Vater sie niemals verstehen würde. Wie auch? Alles, was sie hätte erzählen können, würde sich in Widersprüche verstricken. Auf eine gewisse Weise fühlte Gloria sich an das Verhör mit dem Polizisten erinnert. – Am Tag ihres angeblichen Todes. Alles kam anders als gedacht.
»Du musst ein schlechtes Bild von mir haben. Aber ich habe dich nie hintergangen.« Herr Truhst sah sie ausdruckslos an. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, Gloria. Wenn du sagst, dass du mich nicht hintergehst, frage ich mich, wie viel dieses Mal Wahrheit und wie viel davon Lüge ist!« Herr Truhst verzog keine Miene; ganz im Gegenteil zu Gloria, die nicht zulassen wollte, dass ihr Vater sie in einem derart schlechten Licht sah. »Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber als ich das Studium anfing, musste ich einsehen, dass du Recht hattest…« Überrascht sah Herr Truhst seine Tochter an. »Womit?« »Dass ich an meinem festen Wunsch, Journalismus zu studieren, festhalten sollte.« »Willst du mir jetzt Honig ums Maul schmieren?!«
Stille. Gloria erwiderte nichts auf seine erboste Antwort. Ihr Bauchgefühl sagte, dass es offenbar besser war, den Mund zu halten. Es dauerte eine ganze Weile, ehe Herr Truhst sein Schweigen brach und den Faden wieder aufnahm; doch dieses Mal zum Glück nicht mehr so feindselig wie eben: »Das heißt, du siehst ein, dass du erst mal dein Abitur machst?« Herr Truhst schaute seine Tochter ernst an, die zu ihrer eigenen Überraschung zögerlich nickte… Und trotzdem konnte sie sich nicht vorstellen, zwei Jahre lang mit ihrem Vater samt Kamilla unter einem Dach zu wohnen; so arrogant sich dieser Gedanke auch darstellte. Genauso wie damals besaß Gloria den vehementen Wunsch, alles hinter sich zu lassen. Zum Glück waren gerade Weihnachtsferien, die ihr die Schule für mindestens zwei Wochen vom Leib hielten.
»Ich schlage dir etwas vor…« Gloria überlegte konzentriert, während ihr Vater sie taxierte. Er wirkte gespannt, womit seine Tochter die Wogen glätten wollte und ahnte, dass ihm ihre Idee nicht zusagte. »Ich werde wieder zur Schule gehen, aber solange die Weihnachtsferien andauern, hocke ich nicht hier zu Hause rum und verschwende meine Zeit mit Nichtstun.« Überrascht blickte Herr Truhst sie an.
»Willst du einen Ferienjob machen?« Na klasse… Darauf hatte Gloria es nicht gerade abgesehen. »Eigentlich dachte ich eher daran, für die nächsten zwei Wochen die Stadt zu wechseln… Wenn du darauf Wert legst, werde ich meine Reisekosten in dieser Zeit selbst decken.« Erschrocken sah Herr Truhst seine Tochter an. »Vor ein paar Tagen habe ich dich erst am Bahnhof abgeholt. Und du willst schon wieder weg?« Der Vorwurf in seiner Frage stach deutlich hervor. »Ja!« Glorias Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, ehe sie auch schon fortfuhr: »Aber danach gehe ich wieder zur Schule.«
Herr Truhst hielt inne. Ihn durchfuhr das Gefühl, als wütete ein riesiger Freiheitswahn in seiner Tochter. »Und wo willst du hin, wenn man mal fragen darf?« Das war ein guter Einwand… »Ich weiß noch nicht so genau.« Glorias Vater schüttelte vehement den Kopf. »Das kommt mir nicht in die Tüte!« »Willst du mich jetzt für den Rest meines Lebens einsperren? Was spricht dagegen, in den Ferien fortzufahren?« »Gar nichts. Aber bei dir endet ‹Fortfahren› gleich in…«
»Was?« Gloria fiel ihm ins Wort und schaute ihren Vater böse an.« Doch Herr Truhst ließ sich von ihrem Blick nicht beeindrucken. »Ich lasse nicht zu, dass meine Tochter auf Parkbänken oder unter Brücken schläft.« Gloria holte Luft. »Du vertraust mir nicht…« Sie sah ihn enttäuscht an, doch ihr Vater erhob verärgert die Stimme: »So ist es! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen und ganz ehrlich, Gloria… Sag´ mir auch nur einen Grund, warum ich dir noch vertrauen sollte? Wo willst du denn hin? Was hast du vor?«
Atemlos schaute Gloria ihrem Vater in die Augen. Es fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, derartiges Misstrauen zu ernten. Blieb nur die Frage: Wer von beiden würde am Ende nachgeben? »Meinetwegen kannst du uns den Rücken zudrehen, aber du fährst höchstens zu einer
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