Zerwüteter Pakt (German Edition)
Freundin oder zu Bekannten!« Gloria starrte ihren Vater an. ‹Den Rücken zudrehen› hörte sich sehr nach verletzter Eitelkeit an. Gloria biss sich auf die Lippen. »Dann fahr´ ich halt zu Silke.« – Eine ehemalige Schulkameradin ihrer Mutter. »Silke? Du magst Silke doch überhaupt nicht!«
Herr Truhst schaute sie zerknirscht an. Offenkundig erschien Gloria alles rechtens, wenn sie damit ihm und Kamilla tatsächlich den Rücken zudrehen konnte. Gloria merkte ihrem Vater deutlich an, wie sehr sie ihn mit dem Wunsch zu flüchten, kränkte. »Du kannst nicht verlangen, dass alle Welt springt, wenn du dich von heute auf morgen bei jemandem einquartieren willst!« Gloria blickte Herrn Truhst trotzig an und holte das Telefon herbei… Das Freizeichen ertönte und es dauerte nicht lange, bis sich eine Frauenstimme meldete: »Hallo?«
Mit griesgrämigem Gesicht beobachtete Herr Truhst seine Tochter beim Telefonieren und versuchte, dem Verlauf des Gespräches zu folgen. Das Resultat: Silke freute sich tatsächlich, von Gloria zu hören. Man musste wissen, dass Silke und Glorias Mutter Moni sehr gute Freundinnen waren und allein schon aus diesem Grund wollte Silke Gloria den Wunsch nicht abschlagen, sie zu besuchen. – Ganz zum Missfallen ihres Vaters, der seine Tochter zerknirscht ansah, als diese das Gespräch beendete.
»So, so… Das hinterwäldlerischste Dorf ist dir also lieber.« Herr Truhst schlussfolgerte, wie sehr es Gloria offenbar zuwider war, seine und Kamillas Gesellschaft zu teilen. Bitternis durchspülte ihn und diese wog fast genauso schwer wie die vorangegangene Enttäuschung über Glorias Lügen! Ein milder Ausdruck bildete sich auf Glorias Gesicht. »Es ist doch nicht wegen dir.« Herr Truhst blickte seine Tochter ausdruckslos an, als ihr klar wurde, dass er die falschen Schlüsse zog. »Und es ist auch nicht wegen Kamilla.« Er schaute ihr traurig in die Augen.
»Und warum dann?« Gloria lächelte zaghaft. »Ich vermisse Kirt. Du tust ihm unrecht, wenn du von ihm abwertend sprichst. Ich gönne dir ja, dass du Kamilla kennen gelernt hast und meinetwegen werde ich sie in unserer Familie akzeptieren, aber dann lass´ mir wenigstens ein bisschen Zeit, bevor ich wieder zur Schule gehen und den Alltag mit euch zusammen meistern werde. Und vielleicht ist es seit Mamas Tod meine Art geworden, mich zurückzuziehen, um mich auf Veränderungen einzulassen.«
Herr Truhst sah Gloria prüfend an. Auch ihm war klar, dass er sie nicht einsperren konnte. Er senkte den Kopf und blickte Gloria kurze Zeit später wieder in die Augen. Das Eis schien gebrochen – schon übermorgen würde sie ihre Tasche wieder packen und zum Bahnhof laufen. An welche Orte es sie in den nächsten zwei Wochen verschlug, schien vollkommen egal! Hauptsache, sie hatte ihre Ruhe, ihre Freiheit… selbst wenn sie Jens – Silkes Sohn – höchstwahrscheinlich permanent im Schlepptau hatte.
Der Rest des Tages verging wie im Flug; genauso wie der nächste. Es kam Gloria wie ein Wimpernschlag vor, als sie plötzlich wieder am Bahnsteig stand und auf den Zug wartete. Ihr Ziel: Wabern, ein kleiner Ort auf dem Land bei Kassel.
Fernab in Düsseldorf trug sich genau zu diesem Zeitpunkt etwas ganz anderes zu: Nur winzige Sonnenstrahlen drangen zum Grund des Rheins hindurch. Dort lag noch immer Maribells Buch… Oder vielmehr eines der Zwillingsbücher, über die der Kontakt zur Zwischenwelt möglich gewesen war. Sanft und in Frieden schien es auf dem Grund des Rheins zu ruhen. Niemand konnte es an diesem Ort finden. Dies war Glorias einziger Trost, als sie es verzweifelt verlor. Niemand – außer zwei Arme und zwei Hände, die in den Schatten des Wassers erkennbar waren und offenbar gezielt nach dem dicken Einband griffen. Lange, dünne Finger hoben es vom Grund des Flusses auf…
Schlamm wirbelte empor und verdeckte die Sicht, um weitere Details erkennen zu können. Der goldene Schimmer des Einbands erstrahlte, als wüsste er um den Preis seines Inhalts. Keine Sekunde später jedoch verschwand das Buch hinter erneut aufgewirbeltem Sand in der Dunkelheit…
3 Hetzjagd
Der Wagon ratterte über die Schienen und Glorias Blick schweifte aus dem Fenster. Das letzte Gedicht ließ ihr keine Ruhe. Gloria fragte sich, ob Maribell höchstpersönlich in ihrem Zimmer gestanden hatte, um den Brief zu hinterlegen. Kirts letzte Information beinhaltete jedoch, dass Maribell genauso wenig Kontakt zu ihr aufnehmen durfte wie er selbst. Skeptisch schweifte
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