Zerwüteter Pakt (German Edition)
Mittelatlantische Rücken und der Eingang zur Grotte des Lebens und Strebens. Zum ersten Mal in ihrem Leben tauchte Gloria eigenständig in den Erdkern, schwamm durch den Mantel und ließ sich in den kühlen See der Grotte treiben. Atume war wie von Geisterhand verschwunden, während Glorias Blick emporschnellte. An der Wasseroberfläche aufgetaucht, atmete sie tief durch. Ruhe und Stille… Gloria spürte die reine Luft, die kalt und gleichermaßen leicht durch ihre Lungen strömte und plötzlich nahm sie ihn wahr… Er stand am Ufer – mit einem breiten Grinsen im Gesicht: Kirt!
Er schritt in den See hinein und tauchte unter. Seine Bewegungen waren deutlich unter Wasser erkennbar. Ohne ein einziges Mal Luft zu holen, tauchte er die Strecke bis zu Gloria und erschien direkt vor ihrem Gesicht. Wassertropfen perlten über seine Wangen. Blonde, nasse Strähnen – tiefblaue Augen, die zu strahlen begannen. Für einen kurzen Moment taxierte er ihren Blick, dann schmunzelte Kirt und küsste sie neckend auf die Nasenspitze. »Du bist der wohl außergewöhnlichste Engel, den die Zwischenwelt je hervorgebracht hat!«
Er grinste. Gloria fragte sich, wie er bereits davon erfahren hatte, als Kirt auf ihren irritierten Blick antwortete: »Die Zwischenwelt ist groß… und doch so klein wie ein Dorf. Herzlichen Glückwunsch!« Gloria grinste.
»Ich kann kaum glauben, dass es wirklich wahr ist. Das gesamte letzte Jahr war ein Alptraum. Aber gleichzeitig das schönste, das ich je erlebt habe.« Sie schmunzelte und ergänzte: »Ich glaube, ich schreib´ die ganze Geschichte auf.« Kirt fiel ihr neckend ins Wort: »Das perfekte Buch dafür hast du bereits. Auf dass irgendein Mensch in deine Fußstapfen tritt.« »Soweit wird es hoffentlich nie kommen.« Kirt lachte. »Stimmt!«
Er küsste Gloria unendlich lange, ehe sie sich rücklings unter die Wasseroberfläche sinken ließen und in den Tiefen des Sees verschwanden. Sie tauchten in die Welt der Seelen ein. Die weißen Schlieren ihrer Abbilder jagten durch das Meer, ehe Kirt sie zu einem ganz besonderen Flecken Erde führte: Sie erreichten das Festland und nahmen Kurs Richtung jenem Ort, an dem sie sich kennen lernten: Düsseldorf! Hoch oben – auf der Spitze des Rheinturms nahm Kirt seine golden schimmernde Engelsgestalt an – nur für zwischenirdische Wesen sichtbar – und zum ersten Mal in ihrem Leben tat Gloria dasselbe.
Kirt legte den Arm um ihre Schultern. Sie ließen die Beine hinabbaumeln und genossen den gigantischen Ausblick. Lange Zeit schwiegen sie, ehe Kirt plötzlich leise lachte. Gloria schaute ihn fragend an. »Was ist so komisch?« Er schmunzelte. »Weißt du noch, wie du damals versuchtest, vor mir fortzulaufen?« Gloria verzog das Gesicht, als er bereits weitersprach: »Damals habe ich auch hier gesessen und dich beobachtet.« Gloria erinnerte sich noch genau. In welch gigantische, göttliche Pläne sie damals allerdings eintauchte, hätte sie nie für möglich gehalten!
Kirt räusperte sich. »Ich muss dir übrigens noch etwas beichten.« Gloria sah ihn perplex an. »Und das wäre?« »Ich habe den schlimmsten Gesetzesbruch begangen, den es im Zwischenirdischen gibt!« Skeptisch schaute Gloria ihn an, als Kirt erklärte: »Dein Vater hat mich als Meereswesen gesehen.« »Was?« Verdattert blickte sie in seine blauen Augen, als Kirt sich erneut räusperte. »Lange Geschichte.« Gloria musterte Kirt von oben bis unten. »Ich bin ganz Ohr.«
Er lachte. »Ich hoffe doch, dass man mich deswegen nicht wieder abkommandiert und du im Umkehrschluss versuchst, deinen frisch gebackenen Engelsjob an den Nagel zu hängen…« »Sehr witzig!« Gloria stieß Kirt mit dem Ellenbogen in die Seite. »Ab sofort habe ich ein Auge auf dich, du abenteuerlicher Erzengel.« Kirt grinste. »So?« Seine blauen Augen funkelten Gloria durch die blonden Strähnen hindurch an. Doch plötzlich beugte er sich wie in Zeitlupe nach vorn und ließ sich kopfüber in die Tiefe fallen! Noch im selben Moment verschwand Kirt ins Nichts.
Gloria schmunzelte. Ab sofort konnte er ihr nichts mehr vormachen. Sie ließ einen letzten Blick zum Horizont schweifen, dachte an die vielen Geschehnisse, die sie in diesen Straßen erlebt hatte… Und dann sprang auch Gloria in die Tiefe! Freier Fall – eine Sekunde Adrenalin, ehe auch sie wie von Geisterhand verschwand. Die zwischenirdische Welt war ab dem heutigen Tag um einen Engel reicher…
Glorreiche Gloria!
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