Zigeunerprinz
größere Erfolgschancen als den meisten zugerechnet wurden - und ein so gewaltsamer Tod grassiert unter den ge-krönten Häuptern oft wie eine Epidemie; einer führt da zum nächsten. Meine Aufgabe war es, das Attentat zu verhindern und die Auswirkungen des Mordversuchs so gering wie möglich zu halten.«
Mara war sich bewußt, daß Roderic seine Taten nur wenigen erklärte, und hörte aufmerksam zu. Als er innehielt, sagte sie: »Ich dachte, Sie wollten die Revolution verhindern.«
In seinen Augen blitzte Heiterkeit auf. »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten, die politischen Geschehnisse Frankreichs zu kontrollieren, aber ich muß gestehen, daß es sie übersteigt - ebenso wie die Fähigkeiten einiger französischer Könige bislang. Ich habe es versucht. Ich unternahm alles in meiner Kraft Stehende, um zu erfahren, was die verschiedenen Gruppierungen vorhatten, aber vor allem ging es mir darum, Louis Philippe zu schützen, da es den Anschein hatte, er würde auch weiterhin die Unterstützung der Mittelklasse genießen und hätte deshalb die Möglichkeit, Frankreich zusammenzuhalten.«
»Juliana erzählte mir von Ihrer Truppe und davon, daß sie bereits mehrere Attentate verhindert hat.«
»Man nannte uns das Todeskorps - diesen Namen haben wir nicht selbst gewählt. Trotzdem war er zutreffend, da Mörder meist Getriebene sind, denen ein- für allemal Einhalt geboten werden muß, wenn man ihre Opfer schützen will. In Paris waren das garde du corps und ich gerade dabei, die Lage auszukundschaften und Informationen zu sammeln. Und dann sah ich Sie.«
»Sie sahen mich.«
Sie wiederholte die Worte ergeben und wie betäubt. Bis zu diesem Augenblick hatte sie ihn nicht wirklich für so falsch gehalten, daß er sie in seine Arme manipuliert hatte. Die Gewißheit schmerzte.
Ein grimmiges Lächeln spielte um seinen Mund, dann fuhr er fort: »Eine der vielen Informationen, die wir durch unsere Kanäle sammelten, besagte, daß sich Madame Helene Delacroix und ihre Enkelin in Paris aufhielten. Natürlich waren mir die Namen vertraut, weil mir meine Mutter viel über Louisiana erzählt hatte. Da ich von Kindheit an gelernt habe, sozialen Pflichten nachzukommen, wollte ich ihnen einen Höflichkeitsbesuch abstatten. Da sah ich, wie Sie und Ihre Großmutter mit de Landes in eine Kutsche stiegen. So dicht waren wir davor, uns auf die übliche langweilige Weise kennenzulernen. Ich gab meine Karte bei einem Diener in Ihrem Quartier ab und ging wieder. In jener Nacht verließ ich Paris, um das Zigeunerlager zu besuchen, und vor Mitternacht fielen Sie mir in den Schoß wie ein Geschenk der Götter.«
»Und das war alles?«
Sie wußte nicht, ob sie erleichtert oder erbost darüber sein sollte, daß sich ihre Befürchtung nicht bestätigt hatte.
»Aber Sie haben mich glauben lassen -«
»Sie haben mich offensichtlich zu jeder Schandtat für fähig gehalten. Ich konnte nicht widerstehen. Auf jeden Fall verhielt ich mich niederträchtig genug.«
»Weil Sie mich erkannt hatten?«
»Ich glaubte es jedenfalls«, antwortete er, und seine Miene nahm kurz einen besorgten Ausdruck an. »Aber ich hatte Sie so kurz gesehen und nur auf große Entfernung. Ich wußte etwas über de Landes und vermutete, daß Ihre Ankunft einen tieferen Sinn hatte, aber es erschien unglaublich, daß jemand wie Sie sich von ihm kommandieren ließ. Ich konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Sie von ihm zum Narren gehalten worden waren, daß er Sie zu einer Kutschfahrt aufs Land überredet und hier hinausgeworfen hatte oder daß Sie ihm vielleicht entkommen waren, indem Sie aus der Kutsche gesprungen sind. Ihr Gedächtnisverlust hätte echt sein können. Je mehr ich von Ihnen sah, von Ihnen wußte, desto weniger konnte ich mir etwas anderes vorstellen. Sie sind eine höchst überzeugende Schauspielerin. Und dennoch war der Zufall einfach zu groß.«
»Deshalb haben Sie mich mit nach Paris genommen.«
»Die Situation verlangte nach Aufklärung. Ich erfuhr hier, daß Sie eigentlich mit Madame Helene außerhalb der Stadt auf einem Gut sein sollten, das de Landes gehörte, ein weiterer unwahrscheinlicher Zufall. Und als Sie das Haus verlassen haben, nahm er Verbindung mit Ihnen auf.«
»Sie haben Luca als Spion auf mich angesetzt. Ich dachte, er sollte mich beschützen.«
»Konnte er nicht beides tun? Aber nach jenem Tag wurde ich fast verrückt bei dem Versuch, das Rätsel zu lösen, das Sie darstellten, eine Entschuldigung,
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