Zigeunerprinz
floß. Die heißen, knusprigen Speisen wurden aus dem Feuer gezogen. Die Menschen unterhielten sich, lachten und spaßten ausgelassen und fröhlich.
Mara stand abseits. Sie konnte Grandmere und ihren Vater unter den anderen sehen, die sich um Braut und Bräutigam versammelt hatten. Sie fühlte sich aus dem Kreis der Glücklichen ausgeschlossen, allein, voll innerer Kälte.
... sobald die Liebe mein Herz verlassen hat ...
In einem solchen Schwur lag nichts Dauerhaftes, und doch, wozu taugte Dauer ohne Liebe? Die Worte deuteten an, daß es wichtiger war, Liebe in sich zu spüren, als geliebt zu werden.
Liebe zu geben, solange man sie besaß, nicht sie zu nehmen. In diesem Fall war es ein Schwur, den sie ebenfalls zu leisten bereit war, hätte sie nur die Gelegenheit dazu gehabt.
Sie hatte die Gelegenheit gehabt, und sie hatte sie ausgeschlagen. Weshalb eigentlich? Aus Stolz? Mißtrauen? Aus Angst, ihre Liebe könnte nicht erwidert werden?
Aber sie liebte. Sie liebte einen goldenen Prinzen, und ihn zu verlassen, Tausende von Meilen über einen Ozean hinweg von ihm entfernt zu sein, würde bedeuten, etwas Empfindsames in ihrem Wesen hinzumeucheln.
Den Zigeunern genügte es zu lieben. Das Glück des Augenblicks war das Entscheidende, und jeder Mensch war für sein eigenes Glück verantwortlich, niemand sonst. Leben war Leben. Liebe war Liebe. Keines von beiden konnte abgemessen oder eingetauscht oder eingelagert werden. Man mußte das Leben leben, die Liebe lieben.
Die Musik war langsamer geworden, erklang jetzt süß und voller Verlangen. Die Feier war vorüber. Bald würde das Brautpaar sie verlassen, um sich in Lucas Wagen zurückzuziehen. Nicht viel später würden die Wagen losrollen. Dann war die Hochzeit vorbei.
Aber noch nicht. Luca begann, sich mit weit ausgebreiteten Armen zur Musik zu bewegen. Die Menge wich zurück, bildete einen Kreis, machte ihm Platz. Vorwärts, rückwärts, der Tanz, den er vor Juliana vollführte, war so alt wie die Zeit, ein ebenso natürliches wie einfaches Werberitual. Wie verzaubert gesellte sich Juliana zu ihm, umkreiste ihn, drehte sich, bewegte sich wie hypnotisiert mit ihm und doch voller Eleganz und Gefühl, die denen ihres frischgebackenen Gatten in nichts nachstanden. Die Musik wurde lauter, schneller und schneller spielten die Geigen, steigerten sich in ein Crescendo. Plötzlich riß Luca Juliana hoch, die beiden durchbrachen den Ring der Zuschauer und verschwanden hinter den dunklen Silhouetten der Wagen.
Aber die süße, betörende Geigenmusik endete nicht. Sie spielte weiter, dehnte sich in hörbarer Spannung, suchend, fordernd. Ein Seufzen ging durch die Zuschauer, als Roderic in den Kreis trat. Er hatte seinen Uniformrock ausgezogen; sein Hemd war am Hals offen und wurde von einer blutroten Stoffbinde im Hosenbund gehalten. Sein Haar strahlte im dunklen Glanz uralter Goldmünzen, und seine Miene wirkte vollkommen versunken. Er bewegte sich mit Eleganz und unglaublicher Grazie, drehte sich langsam, fast wie suchend. Die Menge wich zurück, machte mehr Platz, vergrößerte den Kreis, bis Mara auf ihrem Standpunkt ein Teil davon wurde. Roderics Blick berührte sie, verharrte, blieb.
Sie sah ihn auf sich zukommen, während die Musik von neuem in jener sinnlichen Melodie zu pulsieren begann. Ihr Herz begann zu klopfen, und sie fühlte, wie sie bis unter die Haarwurzeln errötete. Das Blut raste ihr durch die Adern und verursachte ihr solche Qualen, daß ihr Körper schmerzte, als hätte man sie vergiftet. Und doch wurde sie plötzlich so aufgeregt, daß sie nicht mehr zu atmen, zu denken vermochte.
Er streckte seine Hand aus. Sie hob ihre grauen Augen, blickte in seine und entdeckte dort unbezwingbaren, unbeugsamen Willen, gefährliche Herausforderung und qualvolle Sehnsucht.
Sie liebte ihn, und mehr brauchte es nicht. Aber einst hatte sie ihn verführt. Sie hatte ihn dazu gebracht, sie zu begehren, all seinem Pflichtgefühl, seinen Fallgruben und Zielen zum Trotz. Es war möglich, daß ihr das noch einmal gelang. Sie konnte es versuchen, konnte gleich damit beginnen, solange ihr die Nacht und der Wein und die Musik Hilfe leisteten. Und so erlaubte sie sich ein Lächeln, das sich süß und sanft betörend um ihren Mund legte, und senkte langsam ihre Hand in seine, als würde die Haut unter der Berührung brennen.
Gemeinsam tanzten sie, beider Körper waren im Einklang, bewegten sich wie einer. Gemeinsam und jeder für sich wirbelten sie in gleißendem Einklang
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