Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zirkus zur dreizehnten Stunde

Zirkus zur dreizehnten Stunde

Titel: Zirkus zur dreizehnten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassy Fox
Vom Netzwerk:
die Luft zischten. Sie ruckte erneut nach vorne und schrie auf. Die Fäden auf ihrem Rücken verloren den Halt und das Gefühl von damals kehrte zurück.
    Die alte Wunde schien aufzubrechen. Warm und klebrig floss etwas an ihr hinunter. Sie kämpft sich weiter. Die Bäume kamen näher. Nebel spielte zwischen den Stämmen, schien von ihrer Anwesenheit noch genährt zu werden. Sie fühlte, wie ihre Macht aus ihrem Inneren floss.
    Sie versuchte sich weiterzuziehen. Etwas Kaltes lag in ihrer Hand. Dürr und hart. Fast wie … Finger? Lange Finger, die in endlosen Nägeln zu enden schienen. Die Hüterin gab nicht auf, zog daran, erreichte das seltsame Etwas und hob eine Hand hoch. Ein Schrei jagte durch den Wald.
    Vor ihr lag Mischka. Kalt und ausgeblutet. Eine gewaltige Wunde zeugte von ihrem Tod, als hätte jemand mit einem Schlachtermesser auf sie eingestochen. Grauenvoll!
    Mischka war tot? Antigone fing an zu zittern, kroch langsam rückwärts. Der Blick der Schneiderin war starr nach oben gerichtet, die Augen aufgerissen. Das konnte doch nicht wahr sein. Das war doch nur ein … Albtraum! Das durfte nur ein Albtraum sein!
    Irgendwie kam sie wieder auf die Beine, lief weiter und prallte gegen einen neuen Körper. Die Köchin Barbara hing an einem Baum. Das Gesicht halb eingeschlagen. Daneben fiel etwas zu Boden. Ein Körper, vollkommen nackt, an Armen und Beinen Schürfwunden von Seilen. Sie war jung, unschuldig – tot. Antigone unterdrückte ein Schluchzen, als sie das Gesicht von Lydia erkannte. Sofort wandte sie den Blick ab, konnte die Verstümmelungen nicht ertragen. In ihren Gedanken blieb das Bild der Augen, die weit aufgerissen waren. Vielleicht hatte sie geschrien, vielleicht hatte sie geweint und versucht sich zu befreien. Sie war immer schwach gewesen.
    In Antigones Gedanken verklang die Stimme des Mädchens.
    Ihre Stimme würde nie mehr erklingen, ihre Worte, ihre Melodie konnten an kein lebendes Ohr mehr gelangen. Sie war tot …
    Ebenso wie der Rest. Leichen, überall Leichen. Blasse und geschundene Körper; verbrannt, erstochen, gefoltert mit gewaltigen Wunden verunziert.
    „Nein“, Antigone schlug die Hand vor den Mund. Die Tränen verschleierten ihr die Sicht. Mit einem Keuchen rannte sie los, versuchte ihnen auszuweichen, nur um in ein neues Grauen zu stolpern. Sie sah die unterschiedlichen Stadien des Sterbens, sah verzerrte Gesichter und hörte die markerschütternde Schreie.
    Antigone lief. Es hörte nicht auf, wurde schlimmer. Der Tod steigerte sich, wurde brutaler, blutiger, länger!
    Sie schrie und stürzte schließlich. Kraftlos versuchte sie sich wieder aufzurichten. Es gelang ihr nur den Kopf zu heben und sie sah sich plötzlich selbst.
    Sie hatte etwas im Arm. Ein unhandliches Bündel, groß und sperrig, blutig und schmutzig. Dann eine Unebenheit, Antigone sah sich der Länge nach auf den Waldboden fallen. Einen Moment blieb sie reglos liegen. Dann kroch ihr Abbild langsam auf sie zu, das eingewickelte Etwas weiterhin fest an sich gepresst.
    Ein Keuchen. Die Illusion sah gehetzt zurück. In dem Moment verrutschte das Lacken, das das Bündel bedeckt hatte.
    Antigones Augen wurden groß. Das junge Mädchen … war tot.
    ***
    Als Lillian und Aramis im Zirkus ankamen, wurden sie bereits erwartet. Die beiden hatten es geschafft. Sie brachen zusammen kaum, dass sie die unsichtbare Grenze überschritten hatten. Sofort waren die anderen Mitglieder um sie herum. Rufe wurden laut, man verlangte nach einem Heiler. Alles lief wild umher. Die Verletzungen der beiden waren schwer, sie verloren das Bewusstsein, als sie sich in rettender Umgebung befanden.
    „Wir … leben …“, keuchten sie beide fast im Einklang, bevor sie hinwegdämmerten. Ihre Hände waren ineinander verschlungen.
    Die Schausteller trugen sie sofort in einen der Wagen.
    Ein leises Rascheln war zu hören. Hinter einem der nahen Bäume trat Kismet plötzlich ins Licht der aufgehenden Sonne.
    „Das Schicksal nimmt seinen Lauf“, ihre kindliche Stimme wirkte krächzend und alt, als hätte sie sie die ganze Nacht beansprucht.
    „Das tut es“, Maurice lächelte und schlug die Augen nieder. „Es ist nur die Frage … welches davon nimmt seinen Lauf?“ Er fing den Blick der Seherin auf, die zurückwich. Dann ruckte ihr Kopf herum.
    Eine Gestalt saß in der abendlichen Sonne auf dem Wagen und starrte sie an. Augen voller Hass, voller Abscheu. Sie brannten sich in Kismets Blick.
    Etwas geschah. Die Seherin konnte sich nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher