Zirkusluft
Franck lächelte frostig, winkte ihr noch einmal zu, drehte sich um und ging.
6
Lenz legte den Finger auf die Klingel und trat einen Schritt zurück. Es dauerte keine fünf Sekunden, dann wurde der Türöffner betätigt und die beiden Polizisten traten in den Flur. Hain bedachte seinen Vorgesetzten mit einem despektierlichen Blick.
»Soso, von innen schöner als von außen…«
»Hätte ja sein können«, versuchte Lenz sich in Schadensbegrenzung und betrachtete den Berg der hinter dem Eingang aufgetürmten gelben Säcke. Daneben waren zwei halb auseinandergenommene Fahrräder zu erkennen, und das ganze Müllpotpourri wurde abgerundet von Stapeln alter Zeitungen.
In einem der oberen Stockwerke wurde eine Tür geöffnet, und eine Frauenstimme ertönte.
»Hallo?«
Die Kommissare sprangen zwei Stockwerke nach oben, erblickten eine pausbäckige ältere Dame in der offen stehenden Tür mit dem großen Keramikschild »FEHLING« daneben und sahen sie abwartend an.
»Wollen Sie zu Fehling?«, fragte die Frau.
»Genau«, antwortete Lenz höflich und zog seinen Dienstausweis aus der Jacke.
»Ich bin Hauptkommissar Paul Lenz, das ist mein Kollege Thilo Hain. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Margarete Ellwert . Ich bin die Mutter von Frau Fehling…Britta.«
»Guten Tag, Frau Ellwert . Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
Die Frau sah auf seinen Ausweis, den er noch immer hochhielt, nickte und ging langsam zur Seite.
»Bitte sehr. Meine Tochter ist in der Küche.«
Die Polizisten drängten sich an ihr vorbei und traten in den Flur.
»Ganz hinten rechts«, erklärte sie.
Dieses Hinweises hätte es nicht bedurft, denn aus der offenen Küchentür drang das Schluchzen von Britta Fehling.
Auf das leise Klopfen des Hauptkommissars am Türrahmen hin hob sie den Kopf, sah ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an und schlug erneut die Hände vor die Augen.
»Bitte, setzen Sie sich doch«, sagte ihre Mutter hinter den Beamten. »Wollen Sie einen Kaffee, ich habe gerade welchen durchlaufen lassen?«
Beide schüttelten synchron die Köpfe.
»Danke, nein«, begann Lenz vorsichtig. »Wir wollen auch gar nicht lange stören.«
Er wandte sich zu Britta Fehling.
»Können wir Ihnen ein paar Fragen zumuten, Frau Fehling?«
Wieder hob sie den Kopf, sah den Kommissar mit diesem unendlich traurigen Blick an, schnäuzte sich und nickte.
»Es geht schon.«
Lenz setzte sich ihr gegenüber, Hain blieb stehen. Margarete Ellwert nahm den Stuhl neben ihrer Tochter.
»Zunächst muss ich noch einmal auf meine Frage von heute früh zurückkommen, ob Ihr Mann möglicherweise Feinde gehabt hat. Vielleicht gibt es doch jemanden, dem Sie eine solche Tat zutrauen?«
Britta Fehling wischte sich ein letztes Mal über die Augen, holte tief Luft und antwortete dann mit brüchiger Stimme.
»Es gibt niemanden. Wir sind ganz normale Leute, die ihr ganz normales Leben gelebt haben, bis heute zumindest. Wir haben Freunde, mit denen wir uns ab und zu treffen, und Bekannte, die sehen wir halt weniger. Reinhold ist…war nie der große Partylöwe, doch das wusste ich, als ich ihn geheiratet habe, und es hat mir nichts ausgemacht.«
Sie lehnte sich zurück und dachte nach.
»Den letzten Streit, an den ich mich erinnern kann, hatte Reinhold vor zwei Jahren mit einem anderen Autofahrer, der ihm hinten draufgefahren war und danach behauptete, Reinhold sei rückwärtsgefahren und hätte so den Unfall verursacht. Die Sache ging zu Gericht und hat sich aufgeklärt, weil es zwei Zeugen gab, die alles gesehen hatten.«
»Haben Sie den Namen des damaligen Unfallgegners?«
Wieder dachte sie einen Moment nach.
»Der Mann hieß Döring. Günther Döring aus Lohfelden .«
Hain notierte den Namen.
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber warum sollte er nach mehr als zwei Jahren Reinhold so etwas antun? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
»Offensichtlich nicht«, bestätigte Lenz, »allerdings ist jeder Anhaltspunkt für uns wichtig.«
Er atmete hörbar aus.
»Und Ihr Mann ist heute wie immer gewesen, oder ist Ihnen irgendeine Veränderung an ihm aufgefallen?«
Wieder dachte sie einen Moment nach.
»Nein. Er war lieb wie immer, hat mir einen Kaffee ans Bett gebracht und dann das Haus verlassen. Normalerweise ist er spätestens nach eineinhalb Stunden wieder zurück.«
Wieder schossen Tränen über ihr Gesicht.
»Nur heute nicht…«
Lenz ließ ihr einen Moment Zeit.
»War Ihr Mann Mitglied in einem Verein oder hat er ein Hobby
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