Zirkusluft
Tastatur seines Computers, der daraufhin anlief.
»Verschwinde!«, zischte er.
»Komm, lass, Sabine, er will es anscheinend nicht anders!«, rief ihre Schwester aus dem Hausflur.
»Das glaube ich auch«, erwiderte diese und verließ die Wohnung.
Als die beiden Frauen eine Etage tiefer angekommen waren, hörten sie, wie über ihren Köpfen eine Tür aufgerissen wurde.
»Von mir aus brauchst du gar nicht mehr wiederzukommen!«, brüllte Topuz ihnen wutschnaubend hinterher. »Zieh doch zu deiner Schwester, dieser Zicke, dann siehst du Hassan nie mehr wieder.«
Sabine Schramm schob ihre zögernde Schwester weiter.
»Komm, lass ihn reden. Bis du nach Hause kommst, hat er sich beruhigt, und falls nicht, schläfst du bei mir. Und das mit dem Kleinen meint er garantiert nicht so, dazu ist er viel zu bequem.«
Bülent Topuz warf die Tür ins Schloss und trat von innen dagegen.
»Blöde Kuh!«, schrie er dabei. Dann ging er, noch immer schwer atmend, in die Küche und bereitete sich einen Tee zu. Ein paar Minuten danach ließ er sich, nun ein wenig ruhiger, in seinen Bürodrehstuhl fallen, stellte die Teetasse auf dem Schreibtisch ab und griff zur Maus. Mit ein paar schnellen Klicks gelangte er zum Ziel seiner elektronischen Reise, loggte sich mit seinem Benutzernamen ein und fing an zu tippen.
Eine Stunde später streckte er sich, sah zufrieden auf den Bildschirm und trank den Rest seines inzwischen kalt gewordenen Tees. Als er auf dem Weg in die Küche war, um Wasser für eine neue Tasse aufzusetzen, klingelte es an der Tür. Topuz grinste arrogant bei dem Gedanken, dass Petra ihren Schlüssel vergessen haben könnte und nun von seiner Gnade abhängig wäre, sie hereinzulassen. Er stellte bedächtig die benutzte Teetasse auf den Küchentisch, füllte Wasser in den Schnellkocher, schaltete das Gerät an und ging dann langsam auf die Tür zu, beseelt von dem Gedanken, dass seine Frau auf der anderen Seite stehen und ihr die Situation mächtig peinlich sein würde. Mit der linken Hand drückte er die Klinke herunter, holte tief Luft, öffnete die Tür und starrte in den dunklen Hausflur. Dann wurde es schwarz um ihn herum.
9
Maria griff nach ihrem Glas und trank einen Schluck Sekt.
»Nächstes Jahr im März wird der Kasseler Oberbürgermeister gewählt.«
Lenz hob eine Augenbraue und sah sie skeptisch an.
»Soll ich gegen deinen Mann antreten und versuchen, der neue Kasseler OB zu werden?«
»Das hätte was. Außerdem könntest du mich gleich mit übernehmen.«
»Heißt das, du bist der Hauptpreis bei der nächsten OB-Wahl?«
»Wenn du mitmachst, würde ich das Risiko eingehen, ansonsten nicht.«
Lenz rückte ein wenig näher an sie heran und zog sich die Decke bis unters Kinn.
»Treib keinen Schabernack mit mir, Maria. Du weißt, dass ich lieber heute als morgen mit dir unter einem Dach leben und mit dir alt werden würde, also weck besser keine Hoffnungen, die du nicht erfüllen kannst oder willst.«
Maria Zeislinger , die Frau des Kasseler Oberbürgermeisters Erich Zeislinger , legte den Kopf auf seine Brust.
»Wie lange geht das jetzt schon mit uns, Paul? Sechs Jahre?«
»Mehr als sieben«, korrigierte er.
»Sieben Jahre. Mehr als sieben Jahre habe ich nun nicht mehr mit Erich geschlafen. Mehr als sieben Jahre habe ich aber immer, wenn es irgendwie ging, mit dir geschlafen. Ich habe verdrängt, seit wie vielen Jahren mir mein Mann auf die Nerven geht, mal mehr, mal weniger. Und nur in ganz wenigen Momenten habe ich daran gedacht, ihn zu verlassen und mich in deine Arme zu werfen. Insgeheim wusste ich immer, dass mir eine Trennung zu viel Aufregung und Öffentlichkeit bescheren würde.«
Sie stockte.
»Aber in den letzten Monaten habe ich öfter darüber nachgedacht, wie es wäre, mit dir zu leben. Wie es wäre, ein paar Wochen in der lokalen und vielleicht auch in der überregionalen Presse durch den Moralkakao gezogen zu werden und dem Bild einer öffentlichen Schlampe ziemlich genau zu entsprechen. Und, was es für dich und mich bedeuten würde, wenn wir uns nicht mehr heimlich in einer Arztpraxis treffen müssten, sondern wie ein ganz gewöhnliches Paar abends miteinander ins Bett gehen würden und morgens miteinander aufstünden, auch wie ein normales Paar.«
Lenz hatte bei jedem ihrer Worte die Augen ein klein wenig weiter aufgerissen.
»Guck mich nicht so an, Paul. Ich bin keine 20 mehr, und langsam muss ich mich entscheiden, ob ich weiter in Saus und Braus und großem
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