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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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lag, dachte sie an die Male zurück, da das Schicksal sie gequält hatte.
    Ihr Vater war der erste gewesen, der damit begonnen hatte – der erste, der der Begierde zum Opfer gefallen war, die die meisten Männer im Dorf verspürten, schon als Tessa nicht älter als dreizehn war. Sie konnte nichts für ihre frühe Reife oder dafür, daß ihre Kleider daran scheiterten, ihre Reife, die Wohlgeformtheit ihres Körpers zu verbergen. Die Unschuld der Jugend war ein gnädiger Schleier gewesen, aber Tessa empfand immer noch Scham, wenn sie an diese frühen Jahre zurückdachte.
    Als Tessa fünfzehn war, starb ihre Mutter. Es regnete an dem Tag, als die Familie sie auf dem Gipfel des Hügels beerdigte, wo die Schafe des Vaters grasten. Der Regen wischte alle Tränen weg, aber nicht die Erinnerungen. Am späten Abend geschah es, als alle anderen Kinder bereits zu Bett geschickt worden waren. Dem Brauch nach mußte Tessa, da sie das älteste Kind war, alle Pflichten der Mutter übernehmen. Doch das Mädchen ahnte nicht, wie vollständig ihr Vater die Rollenübernahme vollzogen haben wollte.
    Als sie das Herdfeuer im Eisenofen bewachte, es schürte und zusätzliche Holzscheite nachlegte, damit es in der Nacht warm wurde, kam ihr Vater heran und stellte sich dicht hinter sie. Und sobald er ihre Schulter berührte und sich hinunterbeugte, um ihren schlanken Hals zu küssen, wußte sie, was er wollte.
    Seine Hände waren rauh, schwielig und grob. Sein Atem roch abgestanden nach Tabak und Knoblauch. Sein Körper war verschwitzt und trug den Geruch der Schafe. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie das Verlangen in seinen Augen, das leichte Zittern seiner Hände und seiner Stimme, während er ihr sagte, wie schön sie sei, wie sehr sie ihrer Mutter ähnelte. Dann murmelte er etwas davon, daß die Wünsche eines Mannes nicht mit dem Tod seiner Frau abstarben, und preßte dabei seinen breiten, schwitzigen Unterleib gegen sie. Tessa bewegte sich weg von den heißen Eisenplatten des Herds, hin zu der Wand, wo die Hände des Vaters auf sie zukamen, sie berührten und mit schrecklicher Begierde ertasteten. Es schien so, als habe er nur auf den Tod seiner Frau gewartet, damit dieser Augenblick endlich käme.
    Er sah Tessa nicht ins Gesicht, als er sie auf den Diwan zwang und nur einen Moment innehielt, um das Licht der Kerosinlampe herunterzudrehen. Dann lag er auf ihr, schwitzte, hob und senkte seinen Körper und nahm sie in der Dunkelheit. Tessa war so angewidert, daß sie nicht um Hilfe schreien konnte. Sie konnte nicht einmal weinen.
     
    Zehn Jahre lang mißbrauchte er sie, bis er von einer Krankheit befallen wurde, die ihm alle Kraft aussaugte. Und er konnte nicht mehr gehen. Die langsam fortschreitende Paralyse kündigte ein Ende dieser Gemeinheiten an, aber nicht das all ihrer Erniedrigungen. Der Vater konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben, konnte die Herden nicht mehr hüten und wurde daher Geschäftsmann. Ein reicher Händler aus der Stadt Prend bot ihm ein kleines Vermögen – genug, um den Vater bis ans Ende seines jämmerlichen Lebens zu versorgen – als Preis für Tessas an. Obwohl der Käufer offiziell mit Gewürzen und Kräutern handelte, betrieb er unter der Hand einen schwunghaften Handel mit Dirnen und Konkubinen.
    Der Kauf wurde perfekt gemacht, und Tessa gelangte an Bord des Schiffes Silbermädchen, das den Kirchow hinunter bis zum G’rdellianischen Meer fuhr. Unterwegs lief es in Eleusynnia und Voluspa an, um dann nach Talthek weiterzusegeln, wo die Nachfrage nach g’rdellianischen Konkubinen die höchsten Preise auf der Welt einbrachte – Summen, die den Kaufpreis an Tessas Vater winzig erscheinen ließen. Es war eine zivilisierte Welt … aber nur, wenn sie gerade Lust dazu hatte.
     
    So segelte Tessa jetzt in einer Kabine voller anderer unglücklicher junger Frauen zum südlichen Ende des G’rdellianischen Meeres. Tessa wußte, daß die Regierung von Eleusynnia den Sklavenhandel bekämpfte und daß sie in Sicherheit sein würde, wenn es ihr gelang, von Bord zu gelangen, sobald die Silbermädchen in dieser großartigen Stadt vor Anker ging. Tessa war an einem Lebensabschnitt angelangt – ihr Leben hatte bislang nur aus einer unaufhörlichen und konturlosen Aneinanderreihung von Ereignissen bestanden –, wo sie entweder ihr eigenes Leben leben oder sterben mußte. Das Leben, das sich bisher vor ihr ausgebreitet hatte, war es, auf einen Nenner gebracht, nicht wert, als solches bezeichnet zu werden.
    Sie wollte

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