Zitadelle des Wächters
als Wappen.
Verzweifelt und hastig versuchten die Riken, erst die Minenanlagen zu öffnen und dann den Wächter umzuprogrammieren. Schließlich versuchten sie, mit Gewalt in die Thoriumminen einzudringen. Doch das führte zu Explosionen, die die Stollen unwiderruflich verschlossen. Es hätte eines ganzen Menschenlebens bedurft, um die Minen wieder zu öffnen – ein Zeitraum, der den so sehr vom Nachschub abhängigen Riken-Truppen nicht zur Verfügung stand.
Bald danach kam der Krieg im Norden zugunsten der Genonesen und ihrer Verbündeten zu einem Ende. Die Überlebenden des Sieges zogen nach Süden und stellten sich dort der letzten Rikenarmee. Diese litten außerordentlichen Mangel an Nachschub und Treibstoff und wurden daher innerhalb kürzester Zeit überwältigt.
Die Zitadelle, einst Kriegsziel Nummer eins, wurde schließlich aufgegeben und in der langen Periode der Unwissenheit vergessen, die sich nun auf die Welt hinabsenkte. Die Welt vergaß schnell das, was der Wächter nie mehr vergessen konnte.
Epilog
Aus dem Tagebuch des Varian Hamer:
… und so endete die Zeit unserer Gefangenschaft. Mit der Hilfe dieses fremdartigen Kyborgs, Kartaphilos, hatten wir das Geheimnis des Wächters enträtselt. Die gewaltige Maschine, die zum unbehaglichen Ergründen der Menschlichkeit gezwungen worden war, hatte eine Rechtfertigung für ihre Inaktivität gesucht, die zum Tod von so vielen führte. „Sühne der Schuld“ war Kartaphilos’ Bezeichnung dieses Phänomens. Die ganze Begegnung war so merkwürdig gewesen, so unglaublich bizarr, daß ich mir selbst bis zum heutigen Tage nicht sicher bin, alles verstanden zu haben, was dort vorgefallen ist.
Und was dann dem Bekenntnis des Wächters folgte, war erst recht nicht zu erwarten gewesen. Die gewaltige Anlage, die sich nun von ihrer Gewissenslast befreit hatte, die sie seit über zweitausend Jahren trug, gab sich nun völlig in unsere Hand und bat nur um die Erfüllung eines Wunsches. Kartaphilos, der wußte, daß in der KI sämtliche Geheimnisse der Ersten Zeit steckten, spürte, daß sie das geeignete Mittel war, um die Welt wieder so aufzubauen, wie sie einst gewesen war. Der Wächter stimmte zu, wenn Kartaphilos versuchen wollte, diese, in meinen Augen unmögliche, Aufgabe in die Hand zu nehmen.
Und dennoch schien Kartaphilos die Bitte des Wächters nicht zu gewaltig zu sein, und er machte sich unverzüglich an die Arbeit. Die bloße Erwähnung dieses Vorhabens, verbunden mit meiner Unfähigkeit, dies zu begreifen oder zu verstehen, beweisen schon überdeutlich die Macht und das Visionäre, die den Baumeistern der Ersten Zeit zu eigen waren. Ich weiß nicht, ob Kartaphilos in der Lage ist, diesen Wunsch des Wächters zu erfüllen, aber die beiden werden es versuchen, ob sie nun damit Erfolg haben oder nicht.
Die Bitte, die der Wächter an uns richtete, war sowohl verwirrend als auch erschreckend: Er wollte ein Mensch werden – und das im wahrsten Sinn des Wortes.
Kartaphilos schlug vor, die Erfüllung dieses Wunsches bei den „nukleotiden Tanks“ und „eugenischen, bionomischen Anlagen“ beginnen zu lassen – wo auch sonst sollte ein solches Projekt anrollen. Und der Wächter schien damit einverstanden zu sein. Als sie ihre Arbeit begannen, verließ ich mit Tessa, Stoor und dem stummen Raim diesen Ort und trat die lange Rückreise nach Zend Avesta an. Dort hat man nun damit begonnen, ein recht ungewöhnliches Heer aufzustellen: eine Truppe, die aus Theoretikern und Technikern, aus Philosophen und Naturwissenschaftlern besteht. Sie wollen bald zur Schatzkammer des Wissens hinabsteigen – der Zitadelle.
Als wir den Wächter verließen, begannen dort ein halber Mensch und eine Maschine mit der Arbeit am Unvorstellbaren. Falls wir einmal dorthin zurückkehren, so weiß ich nicht, was wir dann dort vorfinden werden.
Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich es wissen will.
Nachwort
Thomas F. Monteleone, ein Amerikaner italienischer Abstammung, wurde am 14. April 1946 in Baltimore, Maryland, geboren. Er studierte Psychologie und Literatur an der University of Maryland und erwarb dort 1968 den B.S., 1973 den M.A. Anschließend arbeitete er als Psychotherapeut in einem Krankenhaus sowie als Dozent, wandte sich dann aber mehr und mehr dem Schreiben und der Fotografie zu. Seine ersten Veröffentlichungen erschienen 1973: eine Story in Amazing und drei Beiträge zu einer von Roger Elwood herausgegebenen Jugendbuchanthologie. 1975 kam
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